Ich habe mich verträumt

nicht. Wäre ich liiert, bedeutete das … nun ja. Ich wusste, was es bedeutete.
    Seufzend kehrte ich in die Küche zurück.
    „So, so.“ Callahan lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Ihr Freund ist also ein Katzenretter.“
    Ich lächelte. „Ja, das ist er. In seinem Wohngebiet gibt es ein Problem mit verwilderten Katzen. Sehr traurig. Er treibt sie zusammen in große Kisten und bringt sie ins Tierheim. Möchten Sie eine?“
    „Eine verwilderte Katze?“
    „M-hm. Man sagt doch, das Haustier solle der Persönlichkeit des Besitzers entsprechen.“
    Er lachte, ein schelmisches, verruchtes Lachen, und auf einmal wurde mir fast so schwindelig wie damals beim Besuch des Springsteen-Konzerts. „Nein, danke, Grace.“
    „Also, sagen Sie’s mir, MrO’Shea“, forderte ich ihn brüsk auf. „Wie viel Geld haben Sie veruntreut und von wem?“
    Er presste die Lippen zusammen. „Eins Komma sechs Millionen Dollar“, sagte er dann. „Von meinem verehrten Arbeitgeber.“
    „Eins Komma … ach du meine Güte!“
    Wie mir plötzlich auffiel, lag mein Scheckbuch genau neben uns auf der Küchentheke. Ich sollte das wohl besser wegräumen, oder? Nicht, dass ich eine Million Dollar hatte, aber trotzdem. Callahan folgte meinem nervösen Blick und hob wieder seine unverletzte Augenbraue.
    „Ja, es ist verlockend“, sagte er. „Aber ich habe ein neues Leben angefangen. Obwohl es ausgesprochen hart wird, denen da zu widerstehen.“ Er nickte in Richtung meiner Sammlung antiker gusseiserner Hunde. Dann stand er auf, und meine Küche wirkte auf einmal sehr klein. „Kann ich hochgehen und die Fenster ausmessen, Grace?“
    Ich machte den Mund auf, um zu protestieren, schloss ihn dann aber wieder. Es lohnte sich nicht. Wie lange würde das mit den Fenstern dauern? Ein paar Tage?
    „Ja, sicher. Warten Sie einen Moment, ich will nur noch eben … äh …“
    „Warum kommen Sie nicht einfach mit? Wenn ich dann in Versuchung gerate, Ihr Schmuckkästchen zu durchwühlen, können Sie mir gleich auf die Finger klopfen.“
    „Ich wollte nur nachsehen, ob das Bett gemacht ist, das ist alles“, log ich. „Kommen Sie.“
    In den nächsten drei Minuten kämpfte ich gegen Gefühle der Lust und Verunsicherung an, während Callahan O’Shea meine Schlafzimmerfenster vermaß. Danach ging er ins Gästezimmer und wiederholte das Ganze mit schnellen, effektiven Bewegungen. Er hielt das Maßband an die Fensterrahmen und schrieb die Zahlen in ein kleines Notizbuch. Ich stand in den Türrahmen gelehnt und beobachtete seinen Rücken (seinen knackigen Hintern, um ehrlich zu sein), während er ein Fenster öffnete und hinaussah.
    „Vielleicht muss ich neu verputzen, wenn ich sie austausche“, sagte er, „aber das weiß ich erst, wenn ich die Fenster herausgenommen habe. Die sind ganz schön alt.“
    „Okay. Sicher. Klingt gut.“
    Er kam auf mich zu, und ich hielt den Atem an. Oh Gott.Callahan O’Shea stand nur wenige Zentimeter von mir entfernt. Ich spürte die Wärme seines Körpers, und mein eigener Körper schien dadurch weicher zu werden und sich zu ihm zu neigen. Ich merkte, wie mein Herz sich zusammenzog und öffnete, zusammenzog und öffnete. Seine Hand, in der er noch immer das Maßband hielt, berührte meine, und plötzlich musste ich durch den Mund atmen.
    „Grace?“
    „Ja?“, erwiderte ich flüsternd. Ich konnte den Pulsschlag in seinem Hals erkennen und fragte mich, wie es wohl wäre, diesen Hals zu küssen. Mit den Fingern durch sein dichtes Haar zu fahren. Seine …
    „Könnten Sie wohl zur Seite gehen?“
    Abrupt klappte ich den Mund wieder zu. „Sicher! Natürlich! Ich … war nur in Gedanken.“
    Er verzog den Mund zu einem allzu wissenden Lächeln.
    Wir gingen wieder nach unten, und kurze Zeit später war Callahan O’Shea dann leider auch schon fertig. „Ich gebe die Bestellung auf und sage Ihnen Bescheid, wenn die Fenster kommen“, sagte er.
    „Super“, erwiderte ich.
    „Tschüss dann. Viel Glück bei der Schlacht.“
    „Danke.“ Aus unerfindlichem Grund wurde ich rot.
    „Und vergewissern Sie sich, dass Sie die Türen gut abgeschlossen haben. Ich werde den ganzen Tag zu Hause sein.“
    „Sehr witzig. Raus mit Ihnen“, sagte ich. „Ich muss los, Yankees töten.“

10. KAPITEL
    D er Kanonendonner dröhnte mir in den Ohren, der Pulvergeruch war scharf und belebend. Ich beobachtete, wie sechs Soldaten der Union fielen. Hinter der ersten Linie luden die Yankees nach.
    „Das ist ja