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Ich habe sie geliebt

Ich habe sie geliebt

Titel: Ich habe sie geliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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arme Mutter gekümmert hatte. Alles im Grunde, alles, was sie auf dem Herzen hatte, und dazu noch alles, was die Rechtsanwälte gerne hören, um den Schaden zu beziffern.
    Aber auch ich berappelte mich langsam wieder, wir erreichten nun vertrautes Gelände. Was wollte sie? Geld? Wieviel? Sie sollte mir eine Summe nennen, ich hatte bereits mein Scheckheft gezückt.
    Aber nein, das sähe mir ja wieder ähnlich, wenn ich glaubte, so billig davonzukommen. Ich sei wirklich erbärmlich. Sie hatte zwischen zwei Bissen Tiramisu wieder angefangen zu schluchzen. Warum ich denn nicht begreifen würde? Es ginge im Leben nicht nur um Macht. Mit Geld könne man nicht alles kaufen. Sich vor allem nicht loskaufen. Ob ich am Ende nur so täte, als würde ich nichts begreifen? Ob ich überhaupt ein Herz hätte? Ich sei wirklich erbärmlich. Erbärmlich …
    ›Aber warum verlangst du dann nicht einfach die Scheidung?‹ platzte ich schließlich genervt heraus, ›ich nehme alle Schuld auf mich. Alle Fehler, verstehst du? Sogar den schwierigen Charakter meiner Mutter, ich bin gerne bereit, einen Wisch zu unterschreiben, auf dem ich ihn anerkenne, wenn dir danach ist, aber ich bitte dich, belaste dich nicht mit einem Rechtsanwalt, sag mir lieber, wieviel du willst.‹
    Ich hatte sie zutiefst verletzt.
    Sie hob den Kopf und sah mir in die Augen. Es war das erste Mal seit Jahren, daß wir uns so lange anschauten. Ich versuchte, etwas Neues in ihrem Gesicht zu entdecken. Unsere Jugend vielleicht … Die Zeit, als ich sie noch nicht zum Heulen brachte. Als ich noch keine Frau zum Heulen brachte und als mir allein die Vorstellung, an einem Tisch zu sitzen und über Liebesgefühle zu plaudern, unvorstellbar erschienen war.
    Aber ich konnte nichts entdecken, nichts als den traurigen Gesichtsausdruck einer besiegten Ehefrau, die sich gerade zu einem Geständnis anschickte. Sie hat ihre Rechtsanwältin nicht noch einmal aufgesucht, weil sie nicht den Mut dazu hatte. Sie mochte ihr Leben, ihr Haus, ihre Kinder, ihre Besorgungen. Sie schämte sich, es zuzugeben, und dennoch war es die Wahrheit: Sie hatte nicht den Mut, mich zu verlassen.
    Nicht den Mut.
    Ich konnte auf Freiersfüßen wandeln, wenn mir danach war, ich konnte Frauen flachlegen, wenn es mich beruhigte, sie würde nicht gehen. Sie wollte nicht verloren geben, was sie erobert hatte. Das soziale Netz. Unsere Freunde, unsere Bekannten, die Freunde unserer Kinder. Nicht zu vergessen das schmucke Häuschen, in dem wir noch nicht ein einziges Mal übernachtet hatten. Dieses Risiko wollte sie nicht eingehen. Und außerdem, was konnte ihr das schon anhaben? Es gab noch mehr Männer, die ihre Frauen betrogen. Jede Menge sogar. Sie hatte sich anderen anvertraut und war über die Banalität ihrer Geschichte enttäuscht. So war es nun mal. Und schuld war nur das Ding, das uns zwischen den Beinen baumelte. Am besten, man zog den Kopf ein und ließ das Gewitter vorüberziehen. Sie hatte den ersten Schritt getan, aber die Vorstellung, nicht länger Madame Pierre Dippel zu sein, ließ ihr alle Farbe aus dem Gesicht weichen. So war es nun mal, ihr Pech. Ohne die Kinder, ohne mich wog sie nicht schwer.
    Ich hielt ihr mein Taschentuch hin. ›Alles nicht so schlimm‹, fügte sie hinzu und zwang sich zu einem Lächeln, ›alles nicht so schlimm. Ich werde bei dir bleiben, weil mir nichts Besseres einfällt. Ich habe mich ausnahmsweise mal dumm angestellt – ich, die ich immer alles vorausplane, hier habe ich – habe ich mich sozusagen überrollen lassen.‹ Unter Tränen lächelte sie mir zu.
    Ich tätschelte ihr die Hand. Es war vorbei. Ich war da. Ich war mit niemand anderem zusammen. Mit niemandem. Es war vorbei. Es war vorbei.
    Wir tranken unseren Kaffee und sprachen über die geschmacklose Einrichtung und den Schnurrbart des Wirts.
    Zwei alte Freunde voller Narben.
    Wir hatten einen schweren Stein hochgehoben und ihn anschließend wieder fallen lassen.
    Was darunter krabbelte, war zu schrecklich.
    An diesem Abend, im Dunkeln, schloß ich Suzanne keusch in die Arme. Zu mehr war ich nicht fähig.
    Für mich wurde es eine weitere schlaflose Nacht. Anstatt mich zu beruhigen, hatten mich ihre Geständnisse völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. Ich muß sagen, es ging mir damals ziemlich schlecht. Sehr schlecht. Alles zehrte an mir. Ich befand mich in einer wahrhaft niederschmetternden Lage: Ich hatte diejenige verloren, die ich liebte, und soeben begriffen, daß ich auch der anderen übel

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