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Ich habe sie geliebt

Ich habe sie geliebt

Titel: Ich habe sie geliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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nichts von mir erzählt, aber ich habe ihm zugehört.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Was ich dir erzählt habe, was ich schon wußte. Daß er unglücklich ist, daß er nicht weiß, was er machen soll.«
    »Er hat dich aufgesucht und sich dir anvertraut?!«
    »Ja.«
    Ich fing wieder an zu weinen.
    »Überrascht dich das?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich fühle mich verraten. Sogar du. Du – ich hasse das. Ich tue anderen Menschen so etwas nicht an, ich…«
    »Beruhige dich. Du wirfst ja alles durcheinander. Wer spricht hier von Verrat? Wo ist hier der Verrat? Er kam spontan bei mir vorbei, und als ich ihn sah, habe ich ihm vorgeschlagen, etwas trinken zu gehen. Ich habe mein Handy ausgemacht, und wir sind zum Parkplatz gegangen. Als ich den Zündschlüssel reinstecken wollte, hat er es mir gesagt: ›Ich werde Chloé verlassen.‹ Ich habe nichts dazu gesagt. Wir sind wieder ausgestiegen. Ich wollte ihm keine Fragen stellen, ich habe darauf gewartet, daß er spricht. Immer wieder dieses schwierige Vater-Sohn-Verhältnis … Ich wollte nichts überstürzen. Ich wußte nicht, wie anfangen. Ich war selbst ein wenig erschüttert, um ehrlich zu sein. Ich griff nach den Zigaretten und machte den Aschenbecher auf.«
    »Und dann?« fragte ich.
    »Nichts dann. Er ist verheiratet. Er hat zwei Kinder. Er hat nachgedacht. Er denkt, es ist die Sache wert …«
    »Sei still, sei still – den Rest kenne ich.«
    Ich war aufgestanden, um eine Rolle Küchenpapier zu holen.
    »Du bist bestimmt stolz auf ihn, oder? Er macht es richtig, oder? Das ist ein richtiger Mann! Und mutig. Was für eine schöne Revanche er dir bietet! Was für eine schöne Revanche.«
    »Hör auf mit diesem Ton.«
    »Ich rede, wie es mir paßt, und ich will dir sagen, was ich denke. Du bist noch schlimmer als er. Du, du hast alles versiebt. Ja, hinter deinem großartigen Auftreten hast du alles versiebt und benutzt jetzt ihn und seine Bettgeschichten, um dich zu trösten. Das finde ich jämmerlich. Ihr widert mich an, alle beide.«
    »Das ist blanker Unsinn. Das weißt du, nicht wahr? Du weißt, daß das blanker Unsinn ist?«
    Er sprach ganz leise.
    »Wenn es eine reine Bettgeschichte wäre, wie du behauptest, wären wir jetzt nicht da, wo wir sind, das weißt du genau.«
    »Chloé, sag was.«
    »Ich bin so bescheuert … Nein. Bitte widersprich mir jetzt nicht. Widersprich mir einmal nicht, das wäre wirklich nett.«
    »Darf ich dir ein Geständnis machen? Ein nicht ganz leichtes Geständnis?«
    »Nur zu, bei meinem jetzigen Zustand …«
    »Ich denke, daß es etwas Gutes ist.«
    »Daß was etwas Gutes ist?«
    »Das, was dir passiert ist.«
    »Daß ich total bescheuert bin?«
    »Nein, daß Adrien geht. Ich denke, daß du etwas Besseres verdient hast. Etwas Besseres als diese ein wenig gezwungene Heiterkeit. Etwas Besseres, als dir in der Metro die Nägel zu feilen und dabei in deinem Terminkalender zu blättern, etwas Besseres als den Square Firmin-Gédon, etwas Besseres als das, was aus euch geworden ist. Es schockiert dich sicher, was ich da sage, nicht wahr? Und außerdem, was mische ich mich ein? Ja, es ist schockierend, aber sei’s drum. Ich kann mich nicht verstellen, dazu mag ich dich zu gern. Ich denke, daß Adrien dir nicht das Wasser reichen kann. Er hat ein wenig zu hoch gegriffen mit dir. Das jedenfalls ist meine Meinung.
    Es ist schockierend, weil er mein Sohn ist, und ich sollte nicht so über ihn reden. Ja, ich weiß. Aber egal, ich bin ein alter Kotzbrocken, und ich pfeife auf die guten Sitten. Ich sage dir das, weil ich dir vertraue. Du – du wurdest nicht richtig geliebt. Und wenn du in diesem Augenblick deines Lebens genauso ehrlich zu dir bist wie ich, wirst du natürlich entrüstet reagieren, mir im stillen aber recht geben …«
    »Das ist blanker Unsinn.«
    »So ist’s richtig. Die gespielte Entrüstung …«
    »Machst du jetzt einen auf Psychoanalytiker?«
    »Hast du sie nie gehört, diese leise Stimme in deinem tiefsten Innern, die dich von Zeit zu Zeit gepiesakt hat, um dich daran zu erinnern, daß du nicht richtig geliebt wurdest?«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Nein.«
    »Gut. Dann irre ich mich wohl.«
    Er hatte sich vorgebeugt und die Hände auf die Knie gestützt.
    »Ich finde, daß du eines Tages aufsteigen solltest.«
    »Aufsteigen wovon?«
    »Vom dritten Untergeschoß.«
    »Du hast wirklich zu allem eine Meinung, oder?«
    »Nein. Nicht zu allem. Aber was soll diese Fummelarbeit in einem Museumskeller, wenn man weiß, wozu du

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