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Ich habe sie geliebt

Ich habe sie geliebt

Titel: Ich habe sie geliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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Sprache, sondern um Jonglierkunst. Ein falsches Wort, und du verlierst ganz schnell den Boden unter den Füßen. Außerdem kannte ich die exakten Begriffe nicht, um den Fachjargon zu übersetzen, den wir an jenem Tag brauchten, und was das Entscheidende ist, ich habe mich nie an den Akzent der Chinesen gewöhnen können. Ich habe das Gefühl, nach jedem Wort ein ›ding ding‹ zu hören. Bei den Worten, die sie nicht verschlucken, wohlgemerkt.«
    »Und dann?«
    »Dann war ich völlig irritiert. Ich hatte mich darauf eingestellt, mit einem alten Engländer zusammenzuarbeiten, einem einheimischen Übersetzer, mit dem Françoise am Telefon geflirtet hatte, ›Sie werden sehen, ein wahrer Gentleman …‹
    Von wegen! Da stand ich nun, unter Druck, mit einem gewaltigen Jetlag, ängstlich, verspannt, zitternd wie Espenlaub, und weit und breit kein Brite am Horizont. Es war ein riesiger Markt, der unsere Firma mehr als zwei Jahre am Laufen halten würde. Ich weiß nicht, ob du dir das vorstellen kannst …«
    »Was habt ihr noch mal verkauft?«
    »Öltanks.«
    »Öltanks?«
    »Ja, aber halt! Keine gewöhnlichen Öltanks, sondern…«
    »Nein, nein, das ist mir egal! Erzähl weiter!«
    »Wie gesagt, ich war mit den Nerven am Ende. Ich arbeitete seit zwei Monaten an diesem Projekt, ich hatte enorme Summen in die Sache investiert. Ich hatte die Firma in Schulden gestürzt und auch meine Ersparnisse reingesteckt. Ich konnte die Schließung einer Fabrik bei Nancy hinauszögern. Achtzehn Mann. Ich hatte Suzannes Brüder im Nacken, und ich wußte, sie warteten nur darauf, daß ich einen Fehler mache, und sie würden kein Erbarmen mit mir haben, diese Taugenichtse. Und außerdem litt ich noch an heftigem Durchfall. Entschuldige dieses prosaische Detail, aber ich … Kurz und gut, ich betrat dieses Büro, als würde ich in eine Arena steigen, und als mir klar wurde, daß mein Leben in den Händen dieses – dieser – dieser Kreatur lag, wurde mir fast schwarz vor Augen.«
    »Warum denn?«
    »Du weißt ja, die Ölwirtschaft ist eine richtige Macho-Welt. Inzwischen hat sich das ein wenig geändert, aber damals gab es nicht viele Frauen …«
    »Und dann ausgerechnet du.«
    »Ich, wieso?«
    »Du bist doch auch ein ziemlicher Macho.«
    Er widersprach mir nicht.
    »Moment mal, versetz dich mal für eine Sekunde in meine Lage! Ich war darauf eingestellt, einem alten phlegmatischen Engländer die Hand zu schütteln, einem Typ mit Schnurrbart und zerknittertem Anzug, der mit den Gepflogenheiten der Kolonien vertraut war, und plötzlich sehe ich mich einem jungen Ding gegenüber und nach ihrem Ausschnitt schielen … Nein, ich schwöre dir, das war zuviel für mich. Das konnte ich nicht brauchen. Ich verlor den Boden unter den Füßen. Sie erklärte mir, daß ihr Mister Magoo erkrankt sei, daß man sie gestern abend informiert habe, und sie drückte mir fest die Hand, um mir Mut zu machen. Das heißt, das hat sie mir später erzählt, daß sie mich wie einen Zwetschgenbaum geschüttelt hätte, weil sie mich ein wenig blaß fand.«
    »Hieß er wirklich Mister Magoo?«
    »Nein. Das war nur so dahergesagt.«
    »Und dann?«
    »Dann habe ich ihr ins Ohr geflüstert: ›Sind Sie denn auf dem laufenden? Ich meine hinsichtlich der ganzen Angelegenheit? Es ist etwas sehr Spezielles. Ich weiß nicht, ob man Ihnen gesagt hat …‹ Und in diesem Moment warf sie mir ein umwerfendes Lächeln zu. Ein umwerfendes Lächeln, das ungefähr besagen sollte: Tz tz, bring mich nicht aus dem Konzept, mein Lieber.
    Ich war wie vor den Kopf geschlagen.
    Ich beugte mich über ihren niedlichen Hals. Sie roch gut. Sie roch phantastisch. In meinem Kopf ging alles drunter und drüber. Es war die Katastrophe. Sie saß mir gegenüber, rechts von einem temperamentvollen Chinesen, der mich in die Zange nahm, wenn ich so sagen darf. Sie hatte ihr Kinn auf die gefalteten Hände gestützt und warf mir zuversichtliche Blicke zu, die mir Mut machen sollten. Ihr komplizenhaftes Lächeln hatte etwas Grausames, ich stand völlig neben mir und merkte es auch. Ich bekam keine Luft mehr. Ich verschränkte die Arme, um meinen Bauch zu verbergen, und schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Ich war ihr ausgeliefert. Ich hatte die schönsten Stunden meines Lebens vor mir.«
    »Wie gut du erzählen kannst.«
    »Du machst dich über mich lustig.«
    »Nein, nein, überhaupt nicht!«
    »Doch. Du machst dich lustig. Ich sage nichts mehr.«
    »Nein, wirklich nicht! Auf keinen Fall. Und

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