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Ich habe sie geliebt

Ich habe sie geliebt

Titel: Ich habe sie geliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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Ihnen, daß ich Sie nie wieder in einem Hotelzimmer allein zurücklassen werde. Das verspreche ich.‹
    Und ich wandte mich ab, um mein Gesicht zwischen ihren Beinen zu verstecken. Sie zog mich an den Haaren hoch.
    ›Und was noch?‹
    ›Ich liebe Sie. Nur mit Ihnen bin ich glücklich. Ich liebe nur Sie. Ich – ich – vertrauen Sie mir.‹
    Sie ließ mich los, und unsere Unterhaltung geriet ins Stocken. Ich habe sie zärtlich genommen, aber sie gab sich nicht hin, sie ließ es geschehen. Das war der große Unterschied.«
    »Was geschah dann?«
    »Dann haben wir uns zum ersten Mal getrennt. Ich sage ›zum ersten Mal‹, denn wir haben uns so oft getrennt. Und dann habe ich sie wieder angerufen. Ich habe sie angefleht. Ich habe einen Vorwand gesucht, um nach China zurückzukehren. Ich habe ihr Zimmer kennengelernt, ihre Vermieterin …
    Ich bin eine Woche geblieben, und während sie gearbeitet hat, habe ich den Klempner gespielt, den Elektriker, den Maurer. Ich habe mich abgeplagt für das Fräulein Li, die ihre Zeit damit verbrachte zu singen und ihre Vögel zu herzen. Sie hat mir den Hafen von Hongkong gezeigt und mich zu einer alten englischen Lady mitgenommen, die mich für Lord Mountbatten hielt! Ich habe mitgespielt, und wie!«
    »Kannst du dir vorstellen, was das für mich bedeutet hat? Für den kleinen Jungen, der sich nie getraut hat, in den sechsten Stock zu steigen? Mein ganzes Leben paßte zwischen zwei Pariser Arrondissements und ein Häuschen auf dem Lande. Ich hatte meine Eltern nie glücklich gesehen, mein einziger Bruder war den Erstikkungstod gestorben, und ich hatte meinen ersten Flirt geheiratet, die Schwester eines Freundes, weil ich nicht fähig war, mich im richtigen Augenblick wieder herauszuziehen.
    Ja, so sah mein Leben aus. Genau so.
    Kannst du dir das vorstellen? Ich hatte das Gefühl, ein zweites Mal geboren zu werden. Ich hatte das Gefühl, alles finge noch einmal von vorne an, heute, in ihren Armen, auf diesen zweifelhaften Gewässern, in der feuchten Rumpelkammer des Fräulein Li.«
    Er schwieg.
    »War es Christine?«
    »Nein, es war vor Christine – eine Fehlgeburt.«
    »Das wußte ich nicht.«
    »Niemand weiß es. Warum auch? Ich habe ein junges Mädchen geheiratet, das ich liebte, wie man ein junges Mädchen nun einmal liebt. Eine romantische und reine Liebe. Die ersten Regungen. Die Feier war ziemlich traurig. Ich hatte das Gefühl, zum zweiten Mal meine Erstkommunion zu begehen.
    Auch Suzanne hatte wahrscheinlich nicht damit gerechnet, daß es so rasch gehen würde. Sie verlor auf einen Schlag ihre Jugend und ihre Illusionen. Das alles verloren wir, während mein Schwiegervater einen perfekten Schwiegersohn gewann. Ich hatte die Bergakademie abgeschlossen, er konnte sich keine bessere Partie vorstellen, denn seine Söhne waren – Geisteswissenschaftler . Er sprach das Wort mit spitzen Lippen aus.
    Suzanne und ich waren nicht bis über beide Ohren verliebt, aber wir fügten uns. Damals konnte das eine gut und gerne für das andere stehen.
    Ich erzähle dir das zwar, aber ich bezweifle sehr, daß du es nachvollziehen kannst. Die Zeiten haben sich so sehr geändert. Das war vor vierzig Jahren und kommt mir vor, als wäre es vor zwei Jahrhunderten gewesen. Zu einer Zeit, als junge Mädchen heirateten, wenn ihre Regel ausblieb. Für euch ist das Steinzeit.«
    Er rieb sich das Gesicht.
    »Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, ich sagte gerade, daß ich mich am anderen Ende der Welt befand mit einer Frau, die ihren Unterhalt damit verdiente, von einem Kontinent zum anderen zu hüpfen, und die mich zu lieben schien um meiner selbst willen, um dessen, was hier drinnen war, ganz tief in mir drin. Eine Frau, die mich liebte, fast möchte ich sagen: zärtlich. Ja, das alles war sehr neu. Sehr exotisch. Eine wunderbare Frau, die mir zusah, wie ich Kobrasuppe mit Chrysanthemenblüten aß und dabei den Atem anhielt.«
    »War es gut?«
    »Ein bißchen glibberig für meinen Geschmack.«
    Er lächelte.
    »Und als ich wieder in das Flugzeug stieg, hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben keine Angst. Ich dachte: Soll es explodieren, soll es wie ein Stein auf die Erde fallen und zerschellen, das macht nichts.«
    »Warum dachtest du das?«
    »Warum?«
    »Na ja – ich hätte vermutlich das Gegenteil gedacht. Ich hätte mir gesagt: ›Jetzt weiß ich wirklich, weshalb ich Angst habe, und dieses verfluchte Flugzeug täte gut daran, nicht abzustürzen.‹«
    »Ja, du hast recht. Das wäre sinnvoller

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