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Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)

Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)

Titel: Ich habe sie getötet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ali Knight
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hier ab, in diesem Atelier, das – vermute ich mal – im Winter zu kalt ist und im Sommer stickig; Kate tanzt auf zu vielen Hochzeiten gleichzeitig und weiß nie, wie lange das noch gut geht; ich schufte in meinem Büro. Wir wünschen uns alle einen Ausgleich für diese Mühen. Den kann es in unterschiedlicher Form geben …«
    »Haben Sie das Treffen vorgeschlagen?«, insistiere ich.
    »Ja.«
    »Wie? Wie haben Sie die Verabredung getroffen?«
    »Das weiß ich nicht mehr genau, wahrscheinlich habe ich ihn einfach darauf angesprochen.«
    »Genau deswegen hasse ich Auftragsarbeiten«, murrt Jessie. »Entweder kaufen Sie die Sichtweise des Künstlers, oder Sie lassen es bleiben.«
    »Er hat Ihre Sichtweise ja gekauft«, beschwichtigt Portia. »Das Entscheidende aber ist: Was Raiph nicht gefällt«, jetzt zeigt sie auf den Text auf dem Bild, »das lässt er ändern.«
    »Er macht also keine Kompromisse«, sage ich.
    Portia sieht mich bedauernd an. »Wer so mächtig geworden ist, muss das nicht mehr.«
    »Was heißt das überhaupt: ›Green green grass‹?«, frage ich und gehe ebenfalls zu dem Bild hinüber.
    Jessie antwortet nur zu bereitwillig. »Es stammt aus einem Tom-Jones-Song; ein Mann träumt von dem Zuhause seiner Kindheit, schwärmt davon, wie schön und unschuldig da alles war, und dabei sitzt er im Todestrakt und weiß, dass er nur noch im Sarg in die Heimat zurückkehren wird.«
    Portia und ich werfen einander einen Blick zu. »Und der Bezug ist …?«, frage ich.
    »Ich sage etwas darüber aus, wie weit er gekommen ist, von seinem anscheinend idyllischen irischen Dorf in die herzlose Business-Welt, die den unschuldigen jungen Mann korrumpiert hat. Mental sitzt er im Todestrakt, gefangen hinter Schranken, die er selbst errichtet hat.«
    »Und es wundert dich, dass ihm das nicht zusagt?«
    Hier mischt Portia sich ein. »Ich dachte, es könnte mir vielleicht gelingen, Jessie zu einer etwas … freundlicheren Perspektive zu verhelfen, damit Raiph glücklich wird.«
    Jessie springt sofort darauf an. »Er macht aus meiner Arbeit ein Stück unbedeutendes Kunstgewerbe, das man nett über den Kamin hängen kann! Da hätte ich gleich Dekorateurin werden können …«
    »Und Sofakissen aufschütteln«, sage ich.
    »Genau, Sofakissen aufschütteln!«
    Portia lacht. »Mir ist klar, warum Sie beide befreundet sind. Ich persönlich schätze Ihre Arbeit sehr, Jessie, neben mein Porträt könnten Sie alles schreiben, und ich würde es mit Fassung tragen. Es ärgert mich, dass Raiph mir mit seinem Auftrag zuvorgekommen ist. Jetzt habe ich das Gefühl, ich kann Ihnen keinen mehr erteilen; ich möchte nicht in den Ruf geraten, dass ich ihm untertänigst alles nachmache. Man muss sich sehr genau überlegen, wie man sich positioniert, im Mediengeschäft genauso wie im Kunstmarkt.«
    »Natürlich können Sie ein Bild kaufen!« Jetzt ist Jessie diejenige, die in den Verkäuferton verfällt, wittert sie doch die Chance auf ein weiteres Geschäft. Mir wird das langsam zu viel; Portia merkt noch nicht einmal, wie wichtig mir die Sache mit dem Alibi ist. Für mich geht es schließlich um Leben oder Tod. Ich muss sie wohl ein bisschen aufscheuchen.
    »Lex ist ermordet worden.«
    Jetzt kriege ich eine Reaktion, plötzlich ist sie ganz Ohr. Für einen Moment gerät sie aus der Fassung. Sie starrt mich an, und ich meine, Tränen in ihren Augen zu sehen. »Das wusste ich nicht.«
    »Das weiß kaum jemand.« Unangenehmes Schweigen tritt ein.
    »Wie ist er gestorben?«
    »Genauso wie Melody.«
    »Ein Trittbrettfahrer?« Mit zittriger Hand holt sie ihr Telefon hervor. Sie will schon wählen, überlegt es sich aber noch einmal anders. »Wissen Sie irgendwas über ›Bluthund‹? Raiph hat danach gefragt.«
    Ich setze mich langsam auf einen fleckigen alten Stuhl und gebe mir Mühe, mir den Schreck nicht anmerken zu lassen. Möglichst beiläufig sage ich: »Bluthund?« und zucke die Achseln. »Keine Ahnung. Wann hat er danach gefragt?«
    »Vor ein paar Tagen. Lex hatte ihm davon erzählt, es sollte sein nächstes großes Projekt werden.«
    Ich schüttele den Kopf. Plötzlich sehe ich alles klarer. Euphorie packt mich. Jetzt hab ich dich, Raiph.
    »Kate? Oh, Kate, ich glaube …« Jessie ist an das große Atelierfenster getreten und starrt nach draußen. Irgendwas an ihrem Ton lässt mich aufhorchen. Ich folge ihrem Blick und weiß sofort Bescheid. Da stehen zwei Streifenwagen vor dem Haus, die Türen gehen auf, dunkle Gestalten steigen

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