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Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)

Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)

Titel: Ich habe sie getötet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ali Knight
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Kanal, wo ich über das Wasser komme. Dann sind es nur noch wenige hundert Meter bis zu meinem Haus. Ich schleppe Jessies Fahrrad ein paar Stufen hinunter und schließe es – so, dass eventuelle Passanten es nicht sehen – im Schutz einer Hecke an einen jungen Baum. Ein Auto kommt näher. Hier an der Ecke steht ein Flachbau mit mehreren Wohnungen, an dem ich vorbeikommen muss. Ich rutsche ein Stück das Ufer hinab und taste mich bis zu dem hohen Metallzaun vor, der das Gelände mit den Wohnungen umschließt. Jetzt muss ich mich erst einmal umschauen, etwas suchen, das mir das Drüberklettern erleichtert. Schließlich finde ich neben einem städtischen Müllcontainer einen kaputten Stuhl. Darauf stehe ich etwas erhöht, aber es ist trotzdem schwer, das glatte Metall zu erklimmen. Ich strenge mich an, doch das allein hilft nicht; erst als ich wütend werde, bringe ich die Kraft auf, mich über den Zaun zu hieven, wobei mein Pulli zerreißt und ich mir den Bauch aufkratze.
    Drüben angekommen, habe ich einen langen und beschwerlichen Weg vor mir; ich muss ans Ufer gelangen und mich dann an der Rückseite der Nachbargrundstücke entlangschleichen. Zu gefährlich, mich auf der anderen Seite des Kanals zu nähern; da könnte ich leicht gesehen werden. Als ich stolpere und die Sicherheitsleuchte eines übervorsichtigen Hausbesitzers auslöse, erstarre ich für einen Moment. Ich kämpfe mich durch dichtes Gestrüpp, zerkratze mir die Hände an stachligen Büschen – und erkenne endlich von weitem die Umrisse der Marie Rose . Für Londoner Verhältnisse ist es hier hinten dunkel und sehr ruhig; ein verstecktes, einsames Plätzchen, das im Sonnenlicht idyllisch ist, im Dunkeln aber eher bedrohliche Züge annimmt. Schwarz wie Öl glänzt der Kanal neben mir. Ich hocke mich hin und rühre mich nicht, bis meine Beine taub werden. Ein Fuchs kommt hinter dem Bienenstock im Nachbargarten hervor und scheut vor mir zurück. Leise klatscht das Wasser gegen die Planken des Bootes; die schwarzen Bullaugen verraten, dass niemand an Bord ist. Max und Marcus kommen erst nächste Woche wieder. Sie haben bestimmt nichts dagegen, wenn ich das Boot bis dahin nutze, und in meiner Handtasche habe ich den Schlüssel für das Vorhängeschloss, mit dem die Tür gesichert ist. Privileg der Hauseigentümerin.
    Als ich sicher bin, dass niemand in der Nähe ist, schleiche ich mich weiter, bis ich das Haus sehe. In Joshs Zimmer sind die Vorhänge zugezogen, und das Licht ist aus. Er wird jetzt schlafen, die Bettdecke um die Beine geknäuelt, das Haar wild in der Stirn. Hinter dem Fenster daneben schimmert mattes Licht; ich kann die Bilder an der Schlafzimmerwand erkennen und auf dem Sessel einen Haufen Klamotten von Paul. In der Küche ist es dunkel. Ob die Polizei von dort aus den Garten überwacht?
    Ich trete hinter den Schuppen. Von hier aus gelange ich auf das Boot, ohne vom Haus aus gesehen zu werden. Leise öffne ich die Tür und schlüpfe hinein; das Glas der Taschenlampe, die ich noch von meinem nächtlichen Besuch in Pauls Büro her einstecken hatte, decke ich mit einer Hand etwas ab. Die Bullaugen sind klein, aber ich wage es trotzdem nicht, das Licht anzumachen. Im Halbdunkel sehe ich mir die Küche an: eine Doppelkochplatte, ein kleiner Kühlschrank. Auf der anderen Seite stehen ein Klapptisch und Bänke, und hinter einem Durchgang befinden sich zwei durch Vorhänge voneinander getrennte Schlafkojen. Ganz hinten gibt es eine Kabine mit einer Dusche, direkt im Heck eine Art Kammer mit einer Waschmaschine und eine Leiter zu einer weiteren Tür, durch die man aufs Hinterdeck gelangt. Hier werden die organisatorischen Talente der M&Ms offenbar: Die Betten sind übersät mit Klamotten, die es nicht in die Reisetasche geschafft haben, auf der winzigen Küchenarbeitsfläche drängeln sich leere Bierflaschen, auf dem Tisch liegt ein vergessenes Paar nagelneuer Skihandschuhe. Neben einem Laptop.
    Ich stelle den Heizstrahler an und merke plötzlich, was für einen Hunger ich habe. Ein Fischzug im Kühlschrank bringt mir ein trockenes Stück Cheddar und einen halbleeren Becher Joghurt. In einem der Schränke finde ich noch zwei Cracker. Ich tröste mich damit, dass ich schon schlechter gegessen habe. Dann mache ich mir eine Tasse schwarzen Tee, setze mich, mir die Hände an der Tasse wärmend, an den Tisch und drücke halbherzig eine beliebige Laptop-Taste. Zu meinem Erstaunen erwacht der Bildschirm zum Leben, sein blaues Licht erzeugt überall im

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