Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
nichts anhaben.
Mit Paul rede ich darüber nicht. Der Neid köchelt gut verborgen in meinem Innern; unter meiner äußeren Ruhe brodelt ein Dampfkochtopf, dessen Ventil nur geöffnet wird, wenn ich mich Jessie oder meiner Schwester gegenüber in Schmähreden ergehe. Ich habe gewonnen, aber manchmal fühlt es sich so an, als hätte ich verloren. Das klingt vielleicht hart oder kleinlich, aber ich vergleiche mich genauso mit anderen wie jede Frau; Teilsiege genügen nicht, und es gibt Momente, da meine ich zu spüren, wie Paul dem nachtrauert, was er für mich aufgegeben hat. Ob in einem Dorf in Frankreich oder auf einer dichtbevölkerten Straße in der Stadt – wenn eine Frau mit langem, blondem Haar und knabenhaft schmalen Hüften vorbeigeht, dreht Paul sich um und starrt. Er merkt das gar nicht; würde ich ihn darauf ansprechen, er würde ehrlich entrüstet die dunklen Brauen hochziehen und seine Unschuld beteuern: »Soll das ein Scherz sein, Kate?« Dass seine Vorliebe für einen bestimmten Typus von Eloide geprägt und verfestigt worden sein könnte, ist ihm nie in den Sinn gekommen.
Befreundet! Für jemanden, der so erfolgreich ist und so beliebt wie er, hat Paul reichlich naive Vorstellungen von der Tiefe menschlicher Gefühle. Nie im Leben könnte ich mit ihm befreundet bleiben, wenn er mich wegen einer anderen Frau verließe. Nie. Im. Leben.
Früher fand ich es sympathisch, wenn Politiker oder Filmstars eine Affäre mit einer Frau hatten, die aussah wie ihre eigene, nur zehn Jahre jünger. Es schien mir zu zeigen, wie sehr sie die Erstausgabe geliebt haben mussten. Aber jetzt kommen mir Zweifel. Ist Melody Teil einer Serie, von der nur ich mit meinem dunkleren Haar, meinen Sommersprossen und kräftigen Beinen abweiche?
»Alles okay bei dir?« Cassidy klopft an die Tür. »Hab ich womöglich Salmonellen-Digestifs serviert?«
Ich antworte irgendwas, spritze mir Wasser ins Gesicht. In fünf Minuten kann ich hier weg, kann mich in den Schutz meiner eigenen vier Wände zurückziehen.
Im Wohnzimmer stehen die Mütter herum und stopfen sich mit Kohlenhydraten voll. Becca redet über den Ausschlag ihres Kleinkindes. »Da muss ich also eine Nadel nehmen und versuchen, reinzu …«
»Oh, bitte, spar dir das für Oprah auf!« Cassidy hebt beide Hände vor ihr angewidertes Gesicht. »Wie geht’s eigentlich Paul? Ich hab ihn neulich im Fernsehen gesehen. Ziemlich streitlustig!«
»Ach … du kennst ihn doch. Es geht ihm gut, ja, gut.« Ich nicke ernst, während sie mich mit Blicken durchbohren. Als Paul die Firma verkauft hat, ist mit meinen Nachbarn und Freundinnen eine Veränderung vorgegangen. Subtil, aber spürbar, wie das endgültige Abklingen einer Erkältung. Wir werden öfter eingeladen, niemand ignoriert mich mehr am Schultor, Becca ist immer zurechtgemacht, wenn sie vorbeikommt. Erfolg verströmt einen ganz eigenen Duft, und Paul hat sie alle trunken gemacht.
»Erzähl doch von Lori-Anns Scheidung!« Sarah stupst Cassidy an, und alle zeigen sich begierig auf Neuigkeiten.
»O Gott!«, ruft Cassidy und spreizt theatralisch die Finger. Lori-Ann ist eine Freundin von ihr; ich habe sie nie kennengelernt. Es ist eine Scheidung im ganz großen, grellen, teuren, kalifornischen Stil, und wir können uns nicht satthören daran. Es gab eine Zeit, da habe ich zu gern Geschichten über die Untreue anderer Leute gehört, über das Einkrachen häuslicher Festungen. Horrorgeschichten, die mich nichts angingen, von Leuten, die ich nicht kannte. Was habe ich gelacht über den Ehemann, der verkündete, er werde jetzt zu dieser Zweiundzwanzigjährigen ziehen, die ihn endlich »wirklich versteht«! Solche Geschichten waren flüchtige Unterhaltung, Anlass zur Dankbarkeit dafür, dass es bei Paul und mir anders war. Bis jetzt. Geld und Erfolg ergeben eine giftige Mischung. Ich schaue mich um – und sehe nicht Verbündete aus Fleisch und Blut mit all ihren herrlichen, liebenswerten Fehlern und Macken, sondern Rivalinnen; Konkurrentinnen, die Schlange stehen, um mich abzulösen und zu ersetzen. Ich werde die zweite Frau sein, die Paul auf seinem Weg nach ganz oben hinter sich lässt, ausrangiert zugunsten eines jüngeren, blonderen, schickeren Modells. »Er zieht einfach nicht aus! Natürlich auf Anraten seines Anwalts.«
Sarah schüttelt den Kopf. »Und wo ist der Liebhaber?«
»Der wohnt im Poolhaus! Lori-Ann zitiert neuerdings immer die Frau in diesem Michael-Douglas-Scheidungsdrama: ›Jeden Morgen wache ich auf
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