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Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)

Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)

Titel: Ich habe sie getötet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ali Knight
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denken kann ich das Wort. Ich weiß nicht, wann das passiert ist. Die Stadt ist riesig, und »benachbarte Gegend« bedeutet, dass zwischen mir und dieser Sache Hunderttausende von Menschen sind. Zwischen uns und dieser Sache. Aber das Gesicht. Tränen laufen mir über die Wangen, und ich muss mich über das Waschbecken beugen, weil es mir jeden Moment hochkommen kann. Ich kenne sie. Nicht besonders gut, aber wir sind einander begegnet. Sie hat an Inside-Out mitgearbeitet und, noch wichtiger, die Idee zu Crime Time gehabt. Paul hat uns miteinander bekannt gemacht. Paul hat ihre Idee gekauft und sich für die Produktion eingesetzt; Paul hatte jede Menge Termine mit ihr. Paul hat viel von ihr gesprochen. Melody hier und Melody da. Paul hat gesagt, sie sei im Begriff, ein Star der Szene zu werden, eine Frau, die man im Auge behalten, ein Name, den man sich merken müsse. Melody Graham. Paul hat sie gut gekannt.
    Dein Stern ist ausgelöscht, Melody Graham.
    Es ist mir nie aufgefallen, aber jetzt, da ich ihr lebloses Gesicht so groß auf dem Bildschirm gesehen habe, erkenne ich, wie viel Ähnlichkeit ihre Züge hatten mit einem Gesicht, das mich in zahllosen Nächten bis in den unruhigen Schlaf verfolgt hat; Nächten, in denen ich mit den Überresten einer Beziehung gehadert habe, die ich nie ganz habe auseinanderbringen können. Ich lehne die Stirn an den kalten Rand des Porzellanwaschbeckens. Melody sieht aus wie Eloide, die Ex-Frau meines Mannes.

    Eloide hat mich vom ersten Moment an fasziniert. Pug hatte Jessie und mich zu einer Party in einem großen alten Haus eingeladen, und als wir uns durch die Küche schoben, blieb ich mit dem Ärmel an einem Knopf von Eloides Designermantel hängen. Ich machte irgendeine Bemerkung dazu, und sie meinte, sie hätte mich nun an der Angel. Und das hatte sie wirklich; sie war so viel raffinierter und schicker als ich; ich fand sie unsagbar cool. Sie schrieb Lifestyle-Geschichten für ein Modemagazin, ihre Mutter war Französin, sie kaufte ihre Klamotten in Paris, es kursierten Gerüchte, dass jemand aus der Familie ihres Vaters Kontakte zur Unterwelt habe. Nicht zuletzt half mir das Zusammentreffen mit ihr, mir Paul für eine Weile aus dem Kopf zu schlagen. Meine Phantasien, dass er etwas für mich empfinden könnte, waren eben nur Phantasien, nicht mehr. Ihre Haut war makellos, mit nadelstichfeinen Poren; ihr weiches blondes Haar wippte bei jedem Schritt. Ich mochte es, diese Schönheit heimlich zu beobachten – es war meine Art, eine Hälfte jenes außergewöhnlichen Paares kennenzulernen, das uns unentschlossenen, wankelmütigen Mittzwanzigern damals zu beweisen schien, dass junge Liebe eben doch ewig währen kann.
    Wie sehr wir uns alle getäuscht haben!
    Das Ende war chaotisch, schmerzhaft und langwierig. Ich habe weitaus mehr Freunde verloren als Paul – und war noch froh, dass ich nicht von einigen meiner früheren Freundinnen gesteinigt wurde. Mit alldem habe ich inzwischen abgeschlossen, aber ich bin nicht unbeschädigt daraus hervorgegangen. Eine offene Wunde ist geblieben; die Zeit hat einfach noch nicht zum Heilen gereicht. Paul hat damals darauf bestanden, mit Eloide befreundet zu bleiben, und auch jetzt noch, zehn Jahre später, gehört sie fraglos in sein – und damit auch in mein – Leben. Ihr Job ist es, auf Partys zu gehen, für ein dickes Hochglanz-Modemagazin darüber zu schreiben und sich Arm in Arm mit der einen oder anderen Berühmtheit fotografieren zu lassen. Ein Traumjob für jemanden, der das mag. In ihrem Adressbuch wollen alle stehen – das ist ihre Art von Erfolgreichsein. Paul und sie essen in Restaurants, in denen normale Leute gar keinen Tisch kriegen würden; hin und wieder gehen sie auf einen Cocktail in eine Bar, in der auch Madonna sitzen könnte oder Robert de Niro oder beide.
    Ich begegne ihr nur bei größeren Anlässen, wo das Klack-klack ihrer Absätze und ihre perfekte Figur regelmäßig wie ein Messer mitten ins Herz meines Selbstbewusstseins treffen. Heute lebt Eloide mit einem Fußballagenten in einem ultramodernen Haus in Südlondon. Okay, ich bin nicht sicher, ob man in so einem Haus tatsächlich lebt – wahrscheinlich residieren oder weilen sie dort. Trotz unserer gemeinsamen Jahre, trotz unserer wachsenden Familie, trotz allem, was Paul und mich verbindet, nagt immer ein leiser Zweifel an mir, eine Ungewissheit, was es mit dem Verhältnis der beiden auf sich hat. Und die Jahre können der Eifersucht, die an mir frisst,

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