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Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)

Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)

Titel: Ich habe sie getötet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ali Knight
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Ehefrau, und während draußen die Schafe blöken, denken wir uns zusammen Fernsehformate aus. Auf die Weise kannst du arbeiten, und ich kann mehr mit den Kindern und dir zusammen sein.« Vielleicht ist irgendwo ein Fenster auf, oder eine Tür steht offen, jedenfalls läuft mir in dem Moment ein Schauer über den Rücken.

    Bei uns wird viel ferngesehen, Stunde um Stunde ziehen wir uns das Zeug rein. Man kann wohl sagen, wir, Paul und ich, lieben das Fernsehen. Der tägliche Kampf darum, die Kinder nicht vorm CBeebies-Kanal versacken zu lassen, ist unsere Sache nicht. Paul macht sich gern lustig über jene Zeitgenossen, die nichts lieber tun als fernsehen, ihren Kindern aber verbieten, die Fernbedienung auch nur anzufassen. Scheinheiligkeit ist öde. Er hat das Fernsehen im Blut, es ist seine Leidenschaft, und meine ist es inzwischen auch geworden. Was mir daran gefällt, ist, dass es mich in andere Welten trägt, dass es mich erschreckt und aufregt, dass ich leben kann, ohne auch nur mein Sofa verlassen zu müssen. Heute erfüllt es seinen Zweck, mich aufzumuntern, indem es mir die Möglichkeit gibt, mich überlegen zu fühlen. Deshalb greife ich, als Paul gegen zehn anruft und mir inmitten des wüsten Geschimpfes bei der Jeremy-Kyle-Show zuruft, ich solle sofort die Nachrichten einschalten, zufrieden nach der Fernbedienung.
    »Alles in Ordnung?«
    »Nein. Melody ist erdrosselt worden.«
    Ich rutsche unbehaglich auf meinem Stuhl herum. »Das wissen wir schon, Paul.«
    »Mit einem Seil mit ausgefransten Enden.« Unfähig, auch nur ein Wort hervorzubringen, starre ich auf den Stift und das Blatt Papier in den Händen des Nachrichtensprechers. »Ich muss jetzt los, Kate.« Als unsere Verbindung unterbrochen wird, redet Paul schon mit jemand anderem. Er brauchte mir nicht zu erklären, was das bedeutet. Gerry Bonacorsi hat vor zig Jahren seine Frau mit dem Werkzeug getötet, das er bei seinem Gewerbe zur Hand hatte: mit seinem weißen Zaubererseil, das an beiden Enden kunstvoll in Fransen zerteilt war.
    Ich sitze vorgebeugt auf dem Sofa und verfolge gebannt, welche Szenarien da entworfen werden. Schon ein paar spärliche Fakten öffnen der Spekulation Tür und Tor. Nahe der Stelle, an der Melody ermordet worden ist, steht eine junge Reporterin neben knallgrünen Büschen. Ein Foto von einem gesichtslosen Gebäude wird eingeblendet, und die Rede ist vom Bewährungsausschuss; sie zeigen ein paar prägnante Ausschnitte aus Inside-Out und Polizeifotos von Gerry. Paul sehe ich das nächste Mal, als er um die Mittagszeit auf Sky News interviewt wird. Gleichzeitig ruft Sarah an, um mich moralisch zu unterstützen, und wir hören uns gemeinsam an, wie Paul Inside-Out verteidigt. Ruhig hält er dem Ansturm von Fragen stand. Das dunkle Jackett hatte er heute Morgen noch nicht an. Er hat immer mehrere Anzüge zur Auswahl im Büro für den Fall, dass Presseleute kommen und zu irgendeinem Thema ein Statement von ihm haben wollen. Wörter wie »Schuld«, »Verantwortung« und »Trittbrettfahrer« fliegen zwischen der Journalistin und meinem Mann hin und her.
    »Ich glaube, Paul wirst du in den nächsten Tagen nicht viel zu Gesicht bekommen«, sagt Sarah.
    Ich stöhne. Reality-TV ist ein unberechenbares Monster. Es hat Forwood TV den gegenwärtigen Erfolg beschert, aber ebenso gut kann es wie ein wildes Tier seine Jungen fressen. Die Nachrichtenfrau lässt nicht locker: »Ist das nicht ein erschreckendes Beispiel dafür, welche Folgen es haben kann, wenn abstoßende Verbrechen zu Medienereignissen werden? Dass schwache, nach Aufmerksamkeit gierende Persönlichkeiten zur Nachahmung verleitet werden?«
    »Wie die Polizeibeamten schon mehrfach gesagt haben: Es ist viel zu früh, um irgendwelche Schlüsse zu ziehen«, erwidert Paul.
    »O Mann«, sagt Sarah, »die Geschichte kann sich in alle Richtungen entwickeln.«
    Obwohl ich weiß, dass sie mich nicht sieht, schüttle ich den Kopf. »Und keine ist gut.«
    Wir verfolgen das Interview weiter. »Räumen Sie ein, Mr. Forman, dass die Alternative noch erschreckender wäre: dass nämlich die umfassende Berichterstattung über Bonacorsi in Ihrer Serie den Berufungsausschuss verleitet haben könnte, eine falsche Entscheidung zu treffen; eine Entscheidung, die furchtbare Folgen nach sich gezogen hat?«
    »Nein. Dem halte ich entgegen …«
    »So, wie die das rüberbringen, könnte man meinen, Bonacorsi wäre schon verurteilt«, sagt Sarah.
    Wir können Pauls Antwort nicht vollständig hören,

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