Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
Weinflasche ist leer, mein Kopfschmerz vergangen. Es klingelt.
Das muss Paul sein. Natürlich hat er einen Schlüssel, er benutzt ihn nur nie. Er möchte, dass seine Kinder oder ich ihm die Tür aufmachen, am besten wir alle zusammen; dass wir ihn willkommen heißen, als wäre er jahrelang weit weg gewesen, in einem Krieg. Ich höre Josh die Treppe herunterkommen, höre, wie die Tür entriegelt wird. Ich verschränke die Arme, bleibe eisern auf meinem Stuhl sitzen und starre den Schal an. Soll er doch in die Küche kommen und das Teil sehen. Soll er es erklären. Ein Bild von Gerry Bonacorsi, der in den Fond eines Polizeifahrzeugs geschoben wird, geht mir durch den Kopf. Mit meiner Unentschlossenheit ist es vorbei. Ich bin bereit für den Kampf.
»Mama! Da ist ein Polizist!«
So schnell habe ich mich noch nie bewegt. Ich springe auf, schnappe den Schal und renne zur Waschmaschine. Ich habe das Gefühl, dass noch nie in meinem Leben etwas wichtiger war, als den Schal durch diese runde Tür zu kriegen. »Komme!«, rufe ich möglichst beiläufig, knalle das Bullauge zu, kippe Waschpulver in das Fach und stelle ein Kaltwaschprogramm ein. Ich habe überall Blut hinterlassen und es aus allem wieder herausgewaschen. Das ist es, was wir Frauen tun, Paul, wir machen sauber. Für dich mache ich sauber. Ich wasche die Gefahr heraus, lösche deinen Fehler, deinen schrecklichen Irrtum. Ich bin deine Frau, Paul, ich stecke da mit dir drin. Was du auch getan hast, ich stehe zu dir, wie ich vor Jahren neben dir vor dem Altar gestanden habe. »Ich will ihn lieben und achten und ihm die Treue halten alle Tage meines Lebens.« Wenn ich ein Versprechen gebe, Paul, dann halte ich mich daran. Ich werde für dich sauber machen, ich werde für dich lügen. Während ich darauf warte, dass die Maschine startet, während kostbare Sekunden vergehen, mache ich mir die volle Tragweite meiner Verpflichtung als Ehefrau bewusst und akzeptiere sie. Für den Schutz unserer unschuldigen Kinder, für deinen Erfolg und mein perfektes Leben scheint Meineid ein geringer Preis.
»Komme, komme.« Auf dem Weg zur Haustür greife ich noch nach dem Weinglas. Wenn er mich für eine Säuferin hält, umso besser.
13
D er Polizist besteht – genau genommen – aus zwei Frauen, eine deutlich größer als die andere. Seite an Seite stehen sie vor meiner Haustür. Die eine wirft einen Blick auf ihr Notizbuch und fragt: »Ist Paul Forman da?«
Josh starrt sie mit offenem Mund an, keine von beiden lächelt. Ava kommt aus dem Wohnzimmer angelaufen, bleibt hinter mir stehen und schlingt die Arme um mein linkes Bein. Ich bin ganz ruhig.
»Nein, er ist bei der Arbeit. Ist alles in Ordnung?«
»Sind Sie seine …« Sie verstummt und wartet darauf, dass ich den Satz vollende.
»Ich bin seine Frau. Ist etwas passiert?« Ich stelle das Weinglas auf das Bord neben der Tür. Die kleinere Frau beobachtet das.
»Das ist Detective Sergeant Karen White«, sagt die größere, schlankere, »und ich bin Inspector Anne-Marie O’Shea.« Beide halten sie ihre Dienstmarke hoch, während ich zur Seite trete und sie hereinbitte. Ich sehe ihren Wagen draußen im Halteverbot stehen – ein deutliches Signal, dass hier irgendwas los ist. »Wir brauchen seine Hilfe. Wissen Sie, wann er kommt?«
»Ich dachte eben schon, das wäre er. Er klingelt immer.« Ich lache nervös. »Es dauert bestimmt nicht mehr lange. Soll ich ihn anrufen?«
»Haben Sie eine Pistole?«
»Josh!«
»Nein, wir haben keine Waffe bei uns«, antwortet O’Shea. Sie lächelt immer noch nicht. Vielleicht gibt es dazu selten Gelegenheit, wenn man bei der Polizei arbeitet, ähnlich wie in einem Bestattungsinstitut.
»Sie sind viel zu beschäftigt, um dir noch Fragen zu beantworten, Josh. Geh doch nach oben spielen, ja?« Das ist so ziemlich das Ödeste, was Josh je zu hören bekommen hat; wie angewurzelt steht er da und lauscht den Stimmen, die aus dem Funkgerät dringen.
»Kommen Sie doch herein«, dränge ich und führe die beiden ins Wohnzimmer. Dort setze ich mich in den Sessel, damit sie auf dem Sofa Platz nehmen und von dort unsere vielen Familienfotos auf dem Sekretär im Blick haben. Eins zeigt Paul bei einem Surfversuch in Cornwall, einige die Kinder beim Toben an verschiedenen sonnendurchfluteten Orten, und dann ist da das eine, auf das ich so stolz bin, eine Schwarzweiß-Aufnahme von Paul und den Kindern in stylish zerwühlten Laken; zu sehen ist nicht viel, aber doch genug von seinem nackten
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