Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
siebenunddreißig, brauche mein Haar nicht zu färben und passe immer noch in die Klamotten, die ich mir gekauft habe, bevor Ava zur Welt kam (okay, in die aus der Zeit vor Josh nicht; das Mutterwerden fordert von uns allen seinen Tribut, so sehr wir das auch bestreiten mögen). Zufall, Bestimmung, hart erkämpft oder Glück – das will ich nicht wirklich wissen. Ich bin glücklich, und Paul ist es auch, und das ist das Einzige, was zählt.
Dass Paul glücklich ist, weiß ich, weil er erst kürzlich gesagt hat, er glaube, er liebe mich mehr als die Kinder. Er wollte wissen, ob mir das falsch vorkomme, und ich habe gelacht und nur den Kopf geschüttelt. Manchmal denke ich, ich habe Paul gar nicht verdient. Seine Familie ist großartig, viel beeindruckender als meine, er war auf einer angesehenen Privatschule, seine Mutter lebt in einem Herrenhaus auf einem zauberhaften Stück Land, er ist mit eigenem Tennisplatz aufgewachsen, mit zahlreichen Geschwistern, Erstausgaben in den Regalen und Ölbildern, die vielleicht wertvoll sind, vielleicht auch nicht, das interessiert niemanden. Das alles ist viel romantischer als der sterile Stadtrand-Kasten, in dem meine Mutter und mein Stiefvater leben, mit Studienabschlussfotos von meiner Schwester Lynda und mir an der Wohnzimmerwand.
Ich habe Paul an meinem ersten Tag an der Uni kennengelernt. Damals hieß ich Katy Brown. Genau genommen war er der erste Mensch, dem ich begegnet bin, seit ich von zu Hause weggegangen war. Ich hatte mein Fahrrad im Zug mitgenommen; meine Mutter brachte die anderen Sachen mit dem Auto; wir wollten uns auf dem Campus treffen. Paul, zu der Zeit im dritten Studienjahr, fuhr den Kleintransporter, mit dem Neuankömmlinge mitsamt ihrer Habe vom Bahnhof abgeholt und zu den Unterkünften gebracht wurden. Ich war die Einzige, die er auf dieser Tour mitnahm, und ich habe mich auf der Stelle in ihn verliebt. Er war braun gebrannt und – nach den langen Sommerferien, die er irgendwo auf dem Kontinent verbracht hatte – unglaublich gut in Form. Er hatte nur eine Hand am Steuer, sein Ellbogen lag im heruntergekurbelten Fenster, und die Spätsommerhitze verlieh unserer Fahrt einen angenehm unwirklichen Hauch. Während wir große Kreisel umrundeten und über die vierspurigen Ausfallstraßen einer großen und fremden Stadt rasten, war ich durchdrungen von purer Vorfreude auf das, was das Leben für mich bereithielt, von einer freudigen Erregung, wie ich sie seither nicht oft verspürt habe.
Er war zwei Jahre älter als ich und machte ein paar freundliche Scherze über Erstsemester. Ein kleiner Flirt, auf den ich nur zu bereitwillig einging. Er hatte große braune Augen und dunkles, etwas struppiges Haar, das er hin und wieder mit einer mechanischen Handbewegung zu glätten suchte. Sein Haar ist bis heute dicht und leicht struppig. Während er mein Fahrrad aus dem Transporter hievte, gab ich mich der Vorstellung hin, dass es an der Universität nur so wimmelte von solchen phantastischen Männern. Es erübrigt sich wohl zu sagen, dass das nicht der Fall war. Im Lauf der folgenden Wochen hielt ich überall auf dem Campus Ausschau nach ihm, sah ihn aber immer nur kurz. Meistens befand er sich inmitten einer Traube von Leuten. Ein paar Mal winkte er mir von ferne zu, und das war’s. Ich lernte Leute kennen, stürzte mich ins Uni-Leben, wurde durch andere Beziehungen abgelenkt. Als ich nach dem Abschluss nach London kam, dachte ich kaum noch an ihn. Fünf Jahre später fing meine Freundin Jessie an, sich mit Pug zu treffen, und der hatte nicht nur einen albernen Namen, sondern war auch ein guter Bekannter von Paul.
Zu der Zeit war Paul mit Eloide verheiratet. Zuerst dachte ich, er hätte sich versprochen und eigentlich »Eloise« sagen wollen, aber nein, selbst ihr Name musste etwas Besonderes sein – und schwierig. Sie war eine Blondine. Ich bin nicht stolz auf das, was ein Jahr später passiert ist, aber glücklicherweise hatten die beiden keine Kinder, was die Sache etwas einfacher machte. Zwischen uns existierte einfach eine Verbindung, die sich nicht verleugnen ließ. Unsere erste Nacht gehört zu den absoluten Höhepunkten meines Lebens. Es versteht sich von selbst, dass der Sex … es ist mir nicht gegeben, diese Intensität und Unverstelltheit in Worte zu fassen. Zwei Monate nachdem seine Scheidung durch war, wurde ich schwanger.
Das war nicht das Ende unserer Geschichte, nein, sie wurde immer besser. Als ich im siebten Monat war, verbrachten wir ein
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