Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
an mich geschmiegt, die Nase zwischen meinen Schulterblättern. Wenn ich morgens zu mir komme, ist er schon auf.
Ich nicke und greife nach meinem Handy, auf dem gerade eine SMS eingegangen ist. Von Eloide, nehme ich an, genau wie die drei anderen heute Morgen, aber die Nachricht kommt von Lex: »Wir treffen uns heute. Sag Paul nichts davon.«
Traurigkeit erfasst mich. Ihre Freundschaft geht in die Brüche, und die Partnerschaft im Geschäft könnte bald folgen. Josh stampft mit missmutiger Miene die Treppe herunter. Ich wuschele ihm durchs Haar, einfach weil ich nicht widerstehen kann.
»Lass mich«, sagt er und schiebt unwirsch meine Hand weg.
Auf dem Schachbrett des Lebens ist immer alles in Bewegung; ständig müssen wir neue Positionen einnehmen. Da Lex freigelassen worden ist, werden sie bald jemand anderen festnehmen. Lex will mich treffen, aber vorher muss ich noch woandershin – zur Arbeit.
Plötzlich durchfährt mich ein heftiger Schmerz. »Au! Warum hast du das gemacht?«
Josh hat mich ins Bein geboxt, mit aller Wucht. »Du hörst einfach nie zu! Ich will allein in die Schule gehen. Nicht mit dir zusammen!«
Ich habe immer gewusst, dass das eines Tages kommen würde. Ein weiterer Verbindungsstrang zur Kindheit wird gekappt. Was ich nicht gewusst habe, ist, dass das so weh tut. »Gut, darüber können wir heute Abend mit Papa reden.« Ich zögere kurz. »Hat irgendjemand in der Schule was Blödes zu dir gesagt wegen …?«
»Lass mich doch einfach!«, schreit er.
Ich schätze, das heißt: ja.
24
M anche Leute ärgern sich schwarz, andere laufen rot an vor Zorn. Livvy ist so sauer, dass ihr Gesicht ein tiefes Dunkelrot angenommen hat, und sie schnauzt jeden erbarmungslos an, der das Pech hat, etwas sagen zu müssen. Wir haben unsere wöchentliche Redaktionssitzung und besprechen, wie wir am besten auf den Tod von Melody reagieren. Kein einziger unserer Vorschläge kann die Laune von Schwarze Wolke aufhellen.
»Okay, wir teilen das Stochern in Melodys Leben auf. Sie war eine attraktive Frau, also brauchen wir viel Bildmaterial. Shaheena, du kümmerst dich um ihre alten Freunde, schaust bei Facebook nach, das ganze Zeug. Sieh zu, dass wir ein paar brauchbare Filmausschnitte kriegen.«
»Wer übernimmt die Polizei?« Matt, einer von den Rechercheuren, wagt es, die Frage zu stellen.
»Colin natürlich!« Colin ist der ehemalige Scotland-Yard-Mann, der neben Marika auf dem Ledersofa Platz nimmt, wenn wir technische Unterstützung brauchen. »Wir nutzen Colins Verbindungen und bitten sie, uns alles, was sie aus Überwachungskameras von Melody haben, zur Verfügung zu stellen. So, und wie sieht es mit Melodys Angehörigen aus?«
Jetzt hat Shaheena die undankbare Aufgabe, ihre Chefin zu enttäuschen. Sie schüttelt den Kopf. »Da geht gar nichts, fürchte ich.« Livvy stößt einen langen Seufzer aus. »Ihre Eltern wollen mit der Sendung nichts zu tun haben …«
»… die ihre Tochter erfunden hat!«
Shaheena zuckt die Achseln. »Eine Cousine habe ich aufgetan, die ganz scharf darauf ist, in die Sendung zu kommen, aber sie ist eigentlich eine Randfigur.«
Livvy klopft mit einem billigen Stift an die Seitenwand ihres Schreibtischs. Ihre schlechte Laune schwappt in großen Wellen durch den Raum. »Hoffnungslos.« Dann schweigt sie einen Moment. »Okay, nun zu Lex und Gerry. Dass einer der Geschäftsführer der Firma, die diese Sendung produziert, vernommen wird, weil er die Erfinderin der Sendung angeblich umgebracht hat, ist etwas, das ich so dringend brauche wie einen Kropf …« Noch ehe Livvy sich nach der nächsten Zielscheibe für ihre Tiraden umschauen kann, geht die Tür auf. »Marika!«
Marika bringt einen strengen Geruch mit herein. Sie trägt eine viel zu große Goretex-Jacke mit Schnüren und Druckknöpfen und Gummizügen an den seltsamsten Stellen, aus deren gewaltigen Ärmeln ihre zierlichen, sonnengebräunten Hände hervorlugen. »Hallo zusammen! Tut mir leid, dass ich zu spät komme, aber wir hatten mit Starkwinden zu kämpfen.«
»Gott sei Dank, dass du da bist!« Livvy springt auf und winkt sie mit beiden Händen näher.
»Entschuldigt bitte. Vor der Isle of Wight festzuhängen ist wirklich kein Vergnügen.« Sie stellt einen wasserfesten Seesack in der Ecke ab und setzt sich zu uns. »Wir hatten Windstärke acht und konnten den Hafen nicht verlassen. Am Ende hab ich einen Platz im Hubschrauber von Ventnor nach Portsmouth erwischt und bin von dort mit dem Zug direkt
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