Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
Zuschauer die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass das öffentliche Interesse an dem Mord nicht nachlässt. Ich setze eine Wette über eine halbe Million Pfund aus. Sie, die Zuschauer, können wetten, ob ich Melody umgebracht habe oder nicht. Wenn ich innerhalb der nächsten zwei Jahre wegen dieser Tat verurteilt werde, zahle ich Ihnen das Doppelte Ihres Einsatzes aus. Selbst im Falle meines Todes sollen Sie die entsprechende Summe erhalten. Werde ich aber während der kommenden zwei Jahre nicht verurteilt, spende ich Ihre Einsätze an die Opferschutzorganisation Victim Support, die Opfer von Gewaltverbrechen unterstützt.«
Lex begeistert sich für seine Idee, und die Leute hören ihm ungläubig zu. »Die genauen Bedingungen finden Sie auf meiner Webseite lexwoodisinnocent.com oder aber auf YouTube.«
»Mein Gott, was ist er bloß für ein aufgeblasener Spinner!« Kopfschüttelnd zieht Paul sein Handy aus der Tasche.
»Das muss ziemlich heftig gewesen sein«, sage ich. »Er sieht wütend aus.«
»Lex lebt Popkultur. Er hat sie im Blut.«
Wir hören uns an, was er noch zu sagen hat. »Ich will, dass der Mörder von Melody Graham gefunden wird. Ich verlange, dass der Fall aufgeklärt wird, und werde bis dahin keine Ruhe geben.« Danach scharen sich die Leute um ihn und bombardieren ihn mit Fragen.
»Diese Ermittlung ist total chaotisch, oder?« Ich drehe mich zu Paul um. »Die haben keinen wirklich Verdächtigen.«
Eine Reporterin kommt ins Bild. Sie legt den Kopf schräg, damit der starke Wind ihr nicht das Haar ins Gesicht weht. Als wollte sie aufgreifen, was ich eben gesagt habe, erklärt sie: »Die für die Ermittlungen zuständigen Detectives dürften eher unzufrieden sein, nachdem sie heute Morgen mit Lex Wood den zweiten Verdächtigen im Mordfall Melody Graham ohne Ergebnis gehen lassen mussten. Gestern wurde Gerry Bonacorsi über längere Zeit vernommen, aber er ist nach wie vor auf freiem Fuß. Der Hauptgrund dafür, dass es so schwierig ist, diesen öffentlich stark beachteten Fall schnell und befriedigend abzuschließen, ist offenbar die Tatsache, dass es an verwertbaren Spuren, auch DNA-Spuren, fehlt. Bis zur Stunde …« Sie hat jeden Versuch, ihr wehendes Haar zu bändigen, aufgegeben und steht jetzt fast seitlich zur Kamera. »… ist die Polizei der Beantwortung der Frage, warum Melody Graham sterben musste und wer sie ermordet hat, noch kein Stück nähergekommen.«
»Fang mich auf, Papi!« Ava steht in der Wohnzimmertür. »Paapi!«
Der Sirenenruf seiner Tochter bringt Paul schließlich dazu, das Telefon einzustecken und sie liebevoll anzuschauen. »Ja, meine Kleine.« Er nimmt sie bei den Händen, zieht sie hoch und lässt sie über seinen Kopf in die Luft schwingen, dass ihr begeistertes Juchzen von der Decke widerhallt. Dann setzt er sie ab, umfasst ihre Taille, dreht sie kopfüber und fängt an, sie zu kitzeln, so dass er eine kichernde kleine Hexe unter dem Arm hält, die sich windet wie ein ganzer Sack voller Schlangen. Schließlich lässt er sie kopfüber zu Boden gleiten, und sie richtet sich allein wieder auf.
»Noch mal, noch mal!«
»Ich muss gehen, Süße.«
Sie steht auf Zehenspitzen und blickt mit verzücktem Gesicht zu ihm auf. »Ach bitte, Papi, ein Mal noch!« Ava bewundert ihren Vater grenzenlos. Ich beschließe, mir diese Szene für immer einzuprägen, denn ich selbst habe keine solchen Erinnerungen an meinen Vater.
»Wenn du lieb bist, spielen wir Fangen, wenn ich heute Abend nach Hause komme.« Er küsst sie aufs Haar und wiegt sie in seinen Armen. Dabei blickt er kurz zu mir hoch. Es fällt ihm sichtlich schwer, sich loszureißen, aber am Ende geht er doch zur Tür, während Ava erwartungsvoll von einem Fuß auf den anderen hüpft.
»Falls Lex hier anruft, sag ihm, er soll sich so schnell wie möglich bei mir melden.« Er geht ohne Abschiedskuss. Die Streitereien der vergangenen Tage haben dazu geführt, dass sich zwischen uns eine seltsame Leere aufgetan hat; wir schleichen umeinander herum, schrecken zurück, wenn wir einander zufällig berühren. Mit einem Mal ist mir sein Körper mitsamt seinen Lauten und Gerüchen fremd, und selbst wenn ich es versuche, schaffe ich es nicht, mich daran zu erinnern. Er trägt neuerdings nachts ein T-Shirt; nackt zu sein erscheint irgendwie unpassend. Abends steigen wir in unser Kingsize-Bett und klammern uns jeder an seine Bettkante wie Schiffbrüchige an ein Wrackteil. Nur nachts, wenn ich wach liege, spüre ich ihn manchmal
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