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Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)

Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)

Titel: Ich habe sie getötet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ali Knight
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stehe im Wohnzimmer einer Frau, die ermordet worden ist, und weiß nicht recht, ob ich mich setzen soll oder nicht. Mrs. Graham war von vollendeter Höflichkeit, als ich mich telefonisch angemeldet und gesagt habe, dass ich von Forwood TV komme. Sie lud mich ein, gleich vorbeizuschauen, als wäre ich eine alte Bekannte, die man spontan zum Kaffee bittet, aber jetzt, da ich hier bin, spüre ich doch Befangenheit. Dies ist kein Höflichkeitsbesuch, und meine Mittagspause reicht im Grunde nicht aus, um der Situation gerecht zu werden.
    »Ich bin froh, dass Sie heute kommen; am Telefon habe ich gar nicht gesagt, dass Freitag nicht so günstig gewesen wäre. Da ist die Beerdigung. Sie haben den Leichnam freigegeben.«
    Ich setze mich doch. »Es tut mir sehr leid.« Mrs. Graham ist blass, ihr graues Haar ordentlich frisiert; sie trägt halbhohe Pumps und ein rotes Kostüm. Statt etwas auf meine Beileidsbekundungen zu erwidern, starrt sie mich mit großen dunklen Augen schweigend an. Sie macht mich nervös. Wenn ich nicht aufpasse, fange ich noch an zu plappern. »Ich habe Ihnen – vielleicht ist es auch eher etwas für Ihren Mann – etwas Kleines mitgebracht.« Ich beuge mich vor und reiche ihr das Päckchen. »Eine neue Sorte.«
    »Rosen.« Sie lächelt schwach und schüttelt das Päckchen, so dass man die Samen in dem Papier rascheln hört. »Woher wussten Sie das?«
    »Ich bin Melody nur einmal begegnet, bei einer Feier im Forwood-Büro. Damals war sie gerade mit den letzten Korrekturen an Crime Time beschäftigt. Wir haben uns kurz unterhalten, und ich weiß noch, dass sie gesagt hat: ›Ich nehme es mit meinen Sendungen ebenso genau wie mein Vater mit seinen Rosen.‹«
    Das Lächeln von Mrs. Graham wird wärmer. »Es ist sehr lieb, dass Sie sich daran erinnert haben und uns das mitbringen.«
    »Ich habe mich für rote entschieden, weil sie an dem Abend ein rotes Kleid anhatte.«
    Wenn ich gefragt werde, sage ich, dass ich Melody nicht kenne, und im Prinzip stimmt das auch. Aber so wenig Kontakt ich tatsächlich zu ihr hatte, so intensiv habe ich mir ausgemalt, es wäre anders. Sergei hat mich ihr vorgestellt. »Du musst Melody Graham kennenlernen«, sagte er. Paul hatte schon oft von ihr gesprochen, und ich konnte es kaum erwarten, sie zu sehen. Sie lächelte und kicherte unentwegt und bestand darauf, mir nachzuschenken. Astrid legte ihr kurz eine Hand auf die Schulter, als sie sich an uns vorbei in Richtung Küche schob. Melody war in Feierlaune und schien weder zu ahnen, wie gut die von ihr erfundene Sendung laufen würde, noch wusste sie offenbar, wie anziehend sie war. Wie die anderen auch fand ich sie hinreißend – ihre Jugend, ihren Charme, ihr Talent und die Fülle von Möglichkeiten, die sich ihr boten.
    Mrs. Graham nickt. »Rot war ihre Lieblingsfarbe.« Sie streicht über ihren Rock. »Wir hatten viel gemeinsam, Melody und ich.« Nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: »Ich bedaure sehr, dass Don nicht hier ist. Er macht gerade seinen Spaziergang. Er ist jemand, der Routinen braucht.«
    »Es ist mir ein Anliegen zu sagen, dass ihre Arbeit überdauern wird. Sie hatte viele ausgezeichnete Ideen.«
    Wie die Queen faltet Mrs. Graham die Hände im Schoß und stellt die Beine nebeneinander. »So war sie eben. Sehr zielstrebig. Das viele Fahrradfahren, das Trainings-Gen, das hat sie von Don.«
    An der Wand neben meinem Sessel hängt eine Reihe von Fotos, sie zeigen die Graham-Familie in ihren über die Jahre gewachsenen Verästelungen, Bilder aus den schönen Zeiten vor dem Unglück. Schwarzweiße Tauffotos, chaotische Gruppenbilder, Achtzigerjahre-Frisuren und Bilder vom Schulfotografen, aufgenommen vor einem blauen, mit Wölkchen bemalten Hintergrund. »Ist das Melody?« Ich zeige auf ein vielleicht fünfzehnjähriges Mädchen in Schuluniform, das kein bisschen lächelt.
    Mrs. Graham erhebt sich halb von ihrem Stuhl. »Ja. Es hängt da nur, weil sie selbst es so gemocht hat. Es war ihr immer sehr wichtig, nicht lächeln zu müssen, wenn sie fotografiert wurde. Sie wollte sich nicht ›dem männlichen Blick fügen‹ oder so ähnlich; so hat sie sich ausgedrückt.« Sie sieht mich vielsagend an. »Sie war immer ein bisschen dogmatisch. Don hat natürlich nachgegeben, aber ich konnte dieses Bild ehrlich gesagt nie leiden. Da sieht sie so missmutig aus, was sie überhaupt nicht war.« Jetzt steht sie auf. Zum ersten Mal bebt ihre Stimme. »Das hier mag ich am liebsten.« Sie zeigt auf ein Foto von

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