Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
sie ihn viel genutzt. Sie hatte gern die Katze auf dem Schoß beim Arbeiten, und die Katze ist lieber hier unten.«
»Haben die Polizisten sich diesen Computer auch angeschaut?«
»Sie haben alles kopiert, was drauf war.«
Mir kommt eine Idee. »Sie haben die Sachen also kopiert und nicht woandershin verschoben?«
Mrs. Graham zuckt die Achseln. »Das kann ich nicht sagen. Don weiß das sicher.«
»Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mir da mal ein paar Sachen anschaue, Mrs. Graham? Es dauert bestimmt nicht lange.« Ich rechne mit einem Nein, aber sie scheint nur zu gern behilflich zu sein.
»Überhaupt nicht. Möchten Sie eine Tasse Tee dazu?«
»Das wäre wunderbar. Milch und zwei Stück Zucker, bitte.«
Melody war eine echte Sammlerin. Ihr Ordner auf dem Familienrechner beinhaltet Hunderte von Dateien, die allerdings nicht benannt sind, sondern lediglich nackte Nummern tragen, so als wären sie massenhaft von woandersher auf diese Festplatte geschoben worden. Ich stöpsele einen USB-Stick ein und sage kurzerhand: »Alle kopieren.« Kurz darauf erhalte ich die Meldung, dass eintausendfünfhundert Dateien kopiert worden sind. Ich höre Mrs. Graham in der Küche mit Geschirr klappern und lege für einen Moment erschöpft den Kopf auf den Tisch. Es ist aussichtslos; nie im Leben werde ich die Zeit finden, mir das alles anzusehen. Die Polizei hat sicher ein ganzes Team von Computerfachleuten darauf angesetzt; bestimmt haben sie den Leuten das freie Wochenende gestrichen, die werden mir immer voraus sein. Die Sonne kommt durch; ihr helles, freundliches Licht fällt auf die von einer dünnen Staubschicht überzogene lackierte Tischplatte. Ich beobachte tanzende Staubkörnchen und beneide sie um ihre Energie. Da fällt mein Blick auf etwas, das unter dem Computerbildschirm liegt. Ohne lange nachzudenken, zupfe ich es mit spitzen Fingern hervor. Eine CD-ROM. Auf dem Etikett stand ursprünglich »Inside-Out« mit ein paar Datumsangaben. Das ist durchgestrichen, und darunter hat jemand von Hand »Neat Feet!« geschrieben.
Mrs. Graham erscheint mit zwei Tassen. »Das habe ich gerade unter dem Bildschirm gefunden, es ist von Melody. Sieht so aus, als wäre es irgendwie dorthin geraten und dann übersehen worden.«
Mrs. Graham kommt näher und liest, was auf dem Etikett steht. Ihre Mundwinkel sacken nach unten. »Behalten Sie’s. Ich habe mich nie sonderlich für diese Sendung interessiert.«
Ich lege die CD in den Ordner mit den Spesenabrechnungen und verstaue alles zusammen, auch den USB-Stick, in meiner Tasche. »Zeigen Sie mir jetzt die Rosen?«
Wir gehen nach draußen, in die Sonne, und bleiben auf dem Rasen stehen. »Sie hat sich gewehrt, wussten Sie das? Sogar dann noch, als das Seil schon um ihren Hals lag …«
»Das tut mir so leid …«
»Sie hat gekämpft. Das hat sie von mir. Ich bin auch eine Kämpfernatur. Sie wollte immer ihren eigenen Weg gehen. Das heißt, sie war nicht beliebt.« Ich will protestieren, aber sie lässt mich nicht zu Wort kommen. »Eltern neigen immer dazu, ihre Kinder als vollkommen hinzustellen. Melody war alles andere als das, aber ignorieren konnte sie keiner. Niemals.«
»Hat sie oft von ihrer Arbeit für Forwood erzählt?«
»Ach, ständig! Es hat sich immer so angehört, als wäre das eine große Familie.«
Ich nippe an meinem Tee. »Wir wissen ja alle, wie viel Streit es in einer Familie geben kann. Die ganze Harmonie ist oft nur ein Mythos.«
Mrs. Graham runzelt die Stirn. »Nun – kann sein. Am Anfang hat es ihr dort jedenfalls sehr gut gefallen. In letzter Zeit war sie bei dem Thema eher schweigsam.«
»Ach ja?«
»Vielleicht ist ihr das alles über den Kopf gewachsen. Schwer zu sagen.«
»Was alles?«
Mrs. Graham schaut in ihren Tee. »Ich kann das nicht genauer benennen. Wenn so etwas passiert, neigt man plötzlich dazu, jeden Blick, jede Geste überzuinterpretieren.«
Ich warte ab, aber es kommt nichts mehr. »Ich mache Recherchearbeiten für die Crime Show, die sie erfunden hat. Wir setzen große Hoffnung in das Format. Die nächste Sendung wollen wir Ihrer Tochter widmen.«
Sie seufzt, fast so, als wäre sie enttäuscht. Wir gehen ein Stück und bleiben dann vor einem Blumenbeet stehen. Ich wechsle das Thema. »Ich wusste gar nicht, dass es Rosen gibt, die schon so früh im Jahr blühen.«
»Es war jemand, den sie nicht gekannt hat.«
»Wie?«
»Sie ist von jemandem ermordet worden, den sie nicht gekannt hat.«
»Offenbar sind Sie sich da
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