Ich habe sieben Leben: Die Geschichte des Ernesto Guevara, genannt Che (German Edition)
Alltag im Lager, die Ankunft und die Eingliederung eines »neuen Mannes« in diesen Novembertagen abspielt, darüber berichtet Inti in seinem Tagebuch:
»Che saß auf einem Baumstamm und rauchte. Er hatte seine Mütze auf. Als unsere Gruppe ankam, blitzten seine Augen vor Freude.
Der Mann, den die Imperialisten mehr als jeden anderen suchten, der legendäre Guerillero, Stratege und Theoretiker - hier hockte er seelenruhig tief im Inneren eines Landes, das zu den am schlimmsten unterdrückten und ausgebeuteten Staaten des Kontinents gehört. Es war in der Nacht des 27. November 1966. Che oder Ramón, wie er der Gruppe vorgestellt wurde, begrüßte uns herzlich. Auf mich deutend sagte er: ›Du bist Inti, nicht wahr.‹ Ich war befangen. Einige Kameraden hatten ihm von meiner Vergangenheit erzählt. Er wusste, dass ich mit dieser Gruppe ankam. Ich wusste meinerseits auch, dass Che uns in den Bergen erwartete. Trotzdem wurde ich von Gefühlen übermannt.
Wir ließen uns auf den Baumstämmen nieder. Nach einer Weile übergab mir Pombo einen M-2-Karabiner, meine erste Waffe, und die Kampfausrüstung. Alles ging unglaublich einfach vor sich. Und doch begann in dieser Nacht mein Leben als wirklicher Revolutionär.
Die Unterhaltung war leicht, angeregt, es ging um allgemeine Themen. Ich sprach wenig, weil ich so sehr unter dem Eindruck dieser Begegnung stand. Einige Augenblicke später trank die Gruppe auf den Erfolg des Guerillakampfes und auf ihr Vertrauen in den Sieg. Spät in der Nacht half mir Tuma (Tulio Santamaria, Major der kubanischen Streitkräfte und in Bolivien Adjutant von Guevara), einer der Männer, die wir im Laufe der Zeit am meisten schätzen sollten, die Hängematte herzurichten.
Uns blieb keine Zeit zum Schlafen. Gegen zwei Uhr morgens begannen wir, die noch wach waren, mit der ›Góndola‹; das heißt, wir marschierten von unserem Lager zum ›Cassa de calamina‹, um Lebensmittel, Waffen und Munition zu holen.
Es war eine schwere Arbeit ... die Nacht war sehr dunkel. Und jetzt zeigte Che uns zum ersten Mal, wie ein Guerillaführer beschaffen sein muss. Er wählte den schwersten Sack, hob ihn auf die Schulter und führte uns auf den Rückweg. Unterwegs stolperte er und fiel hin. Man konnte wirklich kaum etwas sehen. Er hob den Sack wieder auf und marschierte weiter zum Lager. Wir folgten ihm.
Die Guerillaarmee begann sich zu entwickeln. Che hatte erkannt, dass die Männer, die in die Berge gehen, um zu kämpfen, leicht ihre städtischen Gewohnheiten ablegen; und zwar nicht nur wegen der Härte des Kampfes und des Mangels an Kontakt mit jeglicher Kultur oder ›Zivilisation‹. Armselige, oft zerlumpte Kleidung, fehlende Hygiene, dürftiges und manchmal primitives Essen, der Mangel an so einfachen Dingen wie Kannen oder Löffeln - das alles zwingt den Guerillero oft, barbarische Gewohnheiten anzunehmen. Dagegen kämpfte Che mit aller Energie. So legte er besonderen Wert auf Arbeiten, die den Einfallsreichtum und die schöpferische Kraft der Guerilleros anregten; er hielt sie an, auf ihre Kleidung, die Waffen, die Rucksäcke, die Bücher, auf alles, was unsere materiellen Güter ausmachte, peinlich zu achten. Er selbst leitete die ›öffentlichen Arbeiten‹ des Nebenlagers, das etwa acht Kilometer von der ›Cassa de calamina‹ entfernt lag. Es wurden Bänke gebaut und andere Bequemlichkeiten. Regelmäßig befahl Che, was er ›alte Garde‹ getauft hatte: Großreinemachen im ganzen Lager! ... Immer wieder wies Che uns auf die Rolle der ›Vorhut der Vorhut‹ hin, die der Guerillero einnimmt. ›Aber um diesem Namen Ehre zu machen‹, versicherte er, ›müsst ihr euch erst einmal in Führungskader verwandeln.‹
›Der Guerillero‹, erklärte Che, ›ist kein Schießwütiger, er ist ein potentieller Regent, ein Mensch, der sich in einem bestimmten Augenblick in den Führer seines Volkes verwandelt. Deswegen muss er auf diesen Augenblick vorbereitet sein.‹«
Während das Leben in Ñancahuazú zunächst mit Training, Lernen und Disziplinierung vergeht, fällt dennoch eine wichtige Vorentscheidung: Ches Gruppe hat in Bolivien weder die Unterstützung des moskautreuen noch des nach Peking orientierten Flügels der bolivianischen KP gefunden, aber nur mit den Funktionären dieser Gruppe kann es gelingen, die kampferprobten Kader der Bergleute aus den Zinnminen für die Guerilla zu gewinnen.
Die bolivianische KP ist in einer schwierigen Situation. Sie kann sich einerseits bei einer Analyse
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