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Ich habe sieben Leben: Die Geschichte des Ernesto Guevara, genannt Che (German Edition)

Ich habe sieben Leben: Die Geschichte des Ernesto Guevara, genannt Che (German Edition)

Titel: Ich habe sieben Leben: Die Geschichte des Ernesto Guevara, genannt Che (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Hetmann
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Schrecken des Kapitalismus wild gewordene Kleinbürger ist eine soziale Erscheinung, die ebenso wie der Anarchismus allen kapitalistischen Ländern eigen ist. Die Unbeständigkeit dieses Revolutionarismus, seine Unfruchtbarkeit, seine Eigenschaft, schnell in Unterwürfigkeit, Apathie und Phantasterei umzuschlagen, ja sich von dieser oder jener bürgerlichen Modeströmung bis zur Tollheit fortreißen zu lassen - all das ist allgemein bekannt.«
    Während seines eineinhalbjährigen Aufenthalts in Südamerika besucht Debray 1964 auch zum ersten Mal Bolivien. Er ist von Chile aus mit gültigem Pass ins Land gekommen und wird von einem jungen Mädchen, Elisabeth Burgos, begleitet, einer Venezolanerin, die in Deutschland Philosophie studiert hat und der er in Caracas begegnet ist. Sie bleibt später in Bolivien zurück und nimmt eine Stellung im Ministerium für Bergbau und Erdölförderung an.
    Debray hielt sich etwa drei Monate im Land auf. Er knüpfte Beziehungen zu Akademikern an den Universitäten von La Paz, Cochabamba und Oruro und traf Journalisten, Intellektuelle und Gewerkschaftsführer. Im Bergwerksdistrikt hielt er Vorträge über soziologische Themen, wobei er offen gegen die Regierung polemisierte.
    Was Bolivien angeht, so treffen die Vorwürfe seiner orthodoxkommunistischen Kritiker nicht zu. In Castroismus - der Lange Marsch in Lateinamerika schreibt er:
    »Es ist das einzige Land, wo die Revolution in der klassischen Bolschewiki-Form stattfinden kann - man betrachte den proletarischen Aufstand von 1952, auf der Basis von ›Sowjets‹, die den Staatsapparat mit einem kurzen und entscheidenden Schlag zum Einstürzen brachten.«
    Er erweist sich in dieser Schrift auch keineswegs als jener sklavische Anhänger der Foco-Theorie, als den manche seiner Kritiker ihn hinstellen, wenn er fortfährt: »Die Theorie des Fock ist so für Bolivien aus Gründen der historischen Entwicklung, die einzigartig in Amerika sind, wenn nicht unangemessen, so doch von zweitrangiger Bedeutung.« Wieder in Frankreich, erhält Debray sein Diplom als Agrégé in Philosophie und wird zum Dozenten in Nancy gewählt.
    Als Mitte 1966 ein Kulturabkommen zwischen Frankreich und Kuba geschlossen wird, schickt ihn das französische Außenministerium als Professor der Philosophiegeschichte für ein Gastsemester an die Universität von Havanna. Während dieser Zeit trifft er häufig mit Castro und anderen hohen Funktionären zusammen.
    Der junge Mann, der sein weiches Gesicht mit einem wilden Schnauzbart verziert, wird international bekannt, nachdem Castro seinem Buch Revolution in der Revolution, das in Havanna in einer Auflage von 200.000 Exemplaren erscheint, sein offizielles Imprimatur erteilt.
    Martin Ebon bemerkt dazu: »Wie Karl Marx Friedrich Engels brauchte, um den Lavafluss seiner Ideen in lesbares Englisch umzusetzen, so war der Franzose für Castro und Guevara ein willkommenes Sprachrohr.« Kaum ist Régis wieder in Paris, da ergibt sich durch seine Doktorarbeit bei Professor Godelier, einem Spezialisten für lateinamerikanische Fragen am Institut für Anthropologie an der Universität Paris, eine willkommene Gelegenheit zu einer neuen Reise nach Chile und Bolivien.
    In Bolivien betreibt Régis offiziell Studien in sozialer und ökonomischer Anthropologie bei den Neusiedlern in der Region Alto Beni.
    Wie wir aus Pombos Tagebuch wissen, erkundet er unter diesem Vorwand aber auch, ob sich dieses Gebiet als Ausgangspunkt für eine Guerilla eigne.
    Überlegt man es recht, so sind beide Forschungsaufträge, der anthropologische und der revolutionäre, auch gar nicht so weit voneinander entfernt. Und Handbücher und Karten, wie sie sich Régis vom Militärwissenschaftlichen Institut für Geographie und bei anderen Regierungsstellen in La Paz besorgt, sind für diesen oder für jenen Zweck höchst nützlich.
    Ein Rätsel bleibt lediglich, warum Debray sich nun, entgegen seinem Urteil über die politische Lage in Bolivien in seinem Buch, doch für eine Guerilla in gerade diesem Land engagiert, wobei er lediglich eine andere Gegend ins Auge fasst als die Guevara-Anhänger unter den bolivianischen Kommunisten und die Guerillaveteranen des kubanischen Voraustrupps.
    Hat er sich von seinem Verlangen, persönlich an einer revolutionären Aktion teilzunehmen, fortreißen lassen? Spielt das Empfinden der Loyalität und Solidarität mit der »kubanischen Revolution, die nun zum ersten Mal, in großem Stil nach Südamerika getragen werden soll,

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