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Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bauermeister
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Experimentierstube für allerlei neue Versuche in der elektronischen Musik. Es galt, sich damit vom Studio des WDR abzunabeln. Jahrzehnte hindurch sollten die feedback papers erscheinen, in denen sie die Resultate ihrer Experimente und Entwicklungen veröffentlichten. David war auch eines der Gründungsmitglieder der Popgruppe Can, einer der wenigen deutschen Bands, die auch im Ausland reüssierten.
    Ich frage mich, ob David den Schmerz, den Stockhausen in sein Werk Hymnen gebannt hat, damals mitbekommen hatte. Es kommen die Charaktere Kama und Maka darin vor – Anagramme aus den ersten Silben unser beider Namen Karlheinz und Mary. An einer Textstelle ertönt ein verzweifelter Ruf von Kama nach Maka. Kama, also Karlheinz, hatte mich als Geliebte Maka ein zweites Mal verloren, denn ich war ja wieder Mutter geworden. So schallen die Rufe »Maka, Maka« verechot über eine leere Landschaft. Als wäre die Menschheit schon ausgestorben, doch die Rufe der Sehnsucht lägen noch über der Welt.
    Seltsam, wie das Schicksalsgarn sich spinnt. Karlheinz hatte Sehnsucht nach Maka gehabt, Maka später nach der Erlösung ihres abgetriebenen Kindes. David wollte Kinder, Karlheinz keine mehr. So wurde also David der Vater des von mir ersehnten Kindes, und nicht der schöne Philipp.
    Stockhausen nannte David seinen intelligentesten Mitarbeiter und vermittelte ihn später, 1975, an die Musikhochschule Basel, wo er Leiter des elektronischen Fachbereichs wurde. Doch was meine Beziehung zu David betraf, hatte er eine andere Meinung: »David muss noch vom Jüngling zum Mann werden, das kann er nicht mit dir. Du bist zu stark für ihn. Entlasse ihn besser aus deinem Bann.« David war wohl selbst schon zu einer ähnlichen Überzeugung gelangt. Er nahm Beziehungen zu anderen Frauen auf. Schließlich heiratete er eine seiner Studentinnen, bekam mit ihr auch eine weitere Tochter, die heute Sängerin ist, aber wir blieben über all die Jahre hin in Freundschaft und in der Liebe zu unserem Kind verbunden.
    Zu einer auch rechtskräftigen Trennung unserer Ehe entschlossen Stockhausen und ich uns erst im Jahr 1973. Zuvor hatte er einmal scherzend gesagt: »Lass dich nur nicht scheiden, sonst muss ich meine Geliebte heiraten.« Aber nun wollten wir Ordnung in die Verhältnisse bringen, amtlich-formell, so wie wir unsere Ehe sechs Jahre zuvor begonnen hatten. Ich hatte mich entschieden, lediglich das Sorgerecht für unsere Kinder zu beantragen, den gesamten Besitz wollte ich Karlheinz überlassen. Der Rechtsanwalt raufte sich die noch verbliebenen Haare: »Wie können Sie nur? Ihnen steht das halbe Haus, der halbe Besitz, Anteile aus den GEMA -Einnahmen und den Schallplattenerlösen der Deutschen Grammophon zu. Wieso übernehmen Sie die Schuld? Er hatte doch jahrelang andere Frauen, er sollte sich also schuldig bekennen.« In Deutschland galt bis 1976 bei Scheidungsverfahren ja noch das Schuldprinzip, entweder der Mann oder die Frau mussten für die Auflösung der Ehe geradestehen. Doch da ich Stockhausen seine Liebschaften während unserer Ehe nicht zum Vorwurf gemacht hatte, wollte ich sie auch nun nicht gegen ihn verwenden. Der Anwalt weigerte sich, so einen Verlierertyp wie mich zu vertreten, da gebe es ja gar keine Verteidigungsargumente. Ich schlug ihm vor, doch auf Stockhausens Seite zu wechseln, was er dann auch tat. Ich brauchte keinen Anwalt. Beim Scheidungstermin vor dem Landgericht in Köln am Reichenspergerplatz saßen wir dem Richter gegenüber. Ich nahm alle Schuld auf mich, bekannte mich dazu, meinen Mann verlassen und damit die Ehe ruiniert zu haben. Auf Unterhalt verzichtete ich, gab an, genug zu verdienen, um für mich und die Kinder sorgen zu können. Haus, Grund und sonstigen Besitz sollte er alles behalten.
    Die Scheidung war schnell ausgesprochen. Karlheinz liefen die Tränen über das Gesicht, ich konnte mich gerade noch beherrschen, ging schnell hinaus und ließ erst später im Wald meinen Tränen freien Lauf. So vernünftig diese Scheidung auch war, so widersprüchlich waren meine Gefühle. Ich konnte auf einmal gut verstehen, warum sich Partner nach einer Scheidung, ja oft schon nach dem nur geäußerten Wunsch zur Trennung wieder in die Arme fallen. Weder die Eheschließung noch die Scheidung hatten in unserem Leben etwas mit unseren tatsächlichen Gefühlen zu tun gehabt. Am folgenden Tag überbrachte mir der Rechtsanwalt im Auftrag des Richters einen riesigen Strauß weißer Rosen. So eine Scheidung habe er noch nie

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