Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter
erlebt. Der Anwalt, der nun Stockhausen vertreten hatte, suchte sich drei Bilder bei mir als Honorar aus, denn ich hatte ja versprochen, das Ganze zu bezahlen.
So war ein Kapitel abgeschlossen. Zumindest schien es so. Die Einspruchsfrist für die finanzielle Regelung der Scheidung betrug sechs Wochen, ich hätte noch alles widerrufen können. Und ich wurde auch auf eine harte Probe gestellt, denn drei Wochen nach der Scheidung erreichte mich ein Brief meiner Galerie aus New York: Bonino war pleite. Als die Geschäfte nicht mehr so gut liefen, hatten sich die Kreditgeber Kunstwerke, die der Galerie auf Kommission überlassen worden waren, zu eigen gemacht – auch einige meiner Bilder waren darunter. Die Galerie wurde geräumt. Der Hintergrund war, dass Alfredo Bonino in Brasilien ein Landgut am Meer zu einem Kulturzentrum hatte ausbauen wollen. Seine Frau, die treu zu ihm stand, obwohl auch er sich ständig in anderen Jagdgründen tummelte, hatte ihm aus New York dafür die nötigen Gelder geschickt. Das hatte die Galerie letztendlich in den Ruin getrieben. Fernanda Bonino schrieb mir, sie würde mir selbstverständlich noch Geld schicken, sollte sie eines meiner Werke verkaufen. Aber man konnte mir nun nicht mehr meinen monatlichen Scheck über sechstausend Dollar ausstellen, das waren damals vierundzwanzigtausend Mark.
Nun rächte sich meine Großzügigkeit. Doch ich wollte nicht aus finanziellen Beweggründen dem untreu werden, was ich als ehrlich und richtig empfand. Bevor wir Julika zeugten, hatte ich Stockhausen versprochen, dass er niemals für unsere Kinder finanziell würde aufkommen müssen. Er hatte ja bereits Doris und ihre vier Kinder zu alimentieren, wofür sein Professorengehalt von der Musikhochschule Köln gerade ausreichte. Doris hätte das zwar nicht nötig gehabt, sie hat ihm auch zeit seines Lebens sicher ein Mehrfaches von dem geschenkt, was sie von ihm erhielt, aber für sie war es eine Sache des Prinzips: Auch das Abwaschen des Geschirrs gehöre zur Mahlzeit, pflegte sie zu sagen. So bestand sie eben humorvoll, aber sehr pragmatisch gegenüber dem Vater ihrer Kinder auf seiner Verantwortung. Es ging ihr nicht um das Geld, sondern um das Bewusstsein, für das es stellvertretend stand.
Als mein Galerievertrag von heute auf morgen gegenstandslos wurde, musste ich mein Leben neu organisieren. Ich entließ das Kindermädchen, die Putzfrau und den Schreiner und versuchte, meine beruflichen Erfolge in Europa auszubauen. Ich hatte ja schon 1971 Ausstellungen in der Galerie Der Spiegel in Köln, in der Galerie Judith Weingarten in Amsterdam und bei Arturo Schwarz in Mailand gehabt. (Diese Verbindung war durch Vermittlung von Marcel Duchamp zustande gekommen, der meine Arbeiten schätzte.)
In dieser für mich schwierigen Phase erreichte mich ein Anruf von Fritz Sitte, dem Präsidenten des Bundesbauamts. In meinen Anfangsjahren als Malerin, als ich noch mit der Mappe unter dem Arm von Haustür zu Haustür gewandert war, um meine Bilder anzubieten, hatte er mir einmal ein Werk abgekauft. Er fragte, ob ich noch male, ob ich an öffentlichen Wettbewerben teilnehmen wolle und ob ich noch Bilder zu verkaufen habe. Alle drei Fragen konnte ich freudig mit Ja beantwor ten. Eine Stunde später traf er mit seiner Frau in meinem Atelier ein und erstand für zehntausend Mark eine Arbeit, die später im Forschungsministerium Bonn hängen sollte: Hommage à Brian O’Doherty . Dieses Ereignis kam mir damals wie eine Belohnung für meine Standhaftigkeit vor, der Versuchung zum Widerspruch der Scheidungsvereinbarung nicht nachgegeben und keinen Rosenkrieg begonnen zu haben.
Allmählich stellte sich eine gewisse Routine ein: Teilnahme an Wettbewerben, Kunst am Bau, große künstlerische Gartengestaltungen, Verkäufe. Eins ergab sich aus dem anderen, alles bewegte sich in gewohnten, arbeitsintensiven Bahnen. Es fehlte mir nicht an Erfolgen, jedoch regte sich die Sehnsucht nach einer tieferen Sinnfindung. Ich suchte ein neues Ziel, zu dem ich mich hinwenden wollte, etwas, das jenseits der Verwirklichung meines eigenen Lebens als Künstlerin, meines kleinen Ichs lag. Ich wollte höher hinaus.
So durchlebte ich die Jahre 1973 bis 1975 mit einer alternativen Lebensgemeinschaft in meinem Atelierhaus, betrieb Yoga, Tai Chi, Atem- und Urschreitherapie und Meditation, daneben aber auch Gemüseanbau und Bienenzucht. Visionen, fantastische Träume, deren Interpretation und das daraus abgeleitete Handeln brachten mich
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