Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter
treuen Verbindung mit ihm nun tatsächlich ausgebrochen. Dieses Mal wollte ich keine weiteren Versuche. Bis er begriff, dass ich endgültig nicht zurückkehren würde, musste ich in Briefen an ihn viel Härte zeigen.
Erst als die britische Autorin Jill Purce zu ihm nach Kürten zog, schwand seine Verzweiflung über den Verlust. Er hatte Jill im Mai 1971 in London kennengelernt, eine junge, schöne, intelligente, kinderlose Frau, also eine ideale Geliebte und Muse. Sie war dem Sufismus verbunden und schrieb gerade an ihrem späteren Bucherfolg Die Spirale, Symbol der Seelenreise , in dem sie sich mit dem Thema der Spirale in Wissenschaft, Religion und Kunst auseinandersetzte. Später heiratete sie den britischen Biophysiker und erfolgreichen Buchautor Rupert Sheldrake. In Kürten war Jill nirgendwo im Weg, sie war sozusagen pflegeleicht und Stockhausen innigst ergeben. Kein Schreiner, keine Malmaterie, keine lauten Kinder. Ich war froh über diese Verbindung, brachte Julika und Simon samstags zu den beiden und holte sie sonntagabends wieder nach Forsbach zurück. Alles ebnete sich. In dieser Zeit rief Karlheinz mich einmal an und dankte mir für meinen radikalen Weggang. »Ich hätte von selber nicht erkannt, dass unsere Beziehung so nicht weitergehen konnte.«
Jill wurde, lange nachdem sie Stockhausen wieder verlassen hatte und nach England zurückgekehrt war, eine wichtige Freundin für mich. Wir reisten gemeinsam in die schottische Findhorngemeinde und besuchten in Exeter den Geistheiler Andrew Gladjewsky. Sie brachte mir den Sufismus nahe, und durch sie lernte ich den Sufimeister und Musiker Pir Vilayat Inayat Khan und den britischen Mystiker Reshad Feild kennen, dessen Vorträge ich später in Deutschland übersetzen würde. Jill war die Erste, die ich später telefonisch von Stockhausens Tod unterrichtete.
17
Die Lösung des Knotens
In den folgenden Jahren arbeiteten Stockhausen und ich noch häufig beruflich zusammen. Ich entwarf, wie bei Sirius oder Harlekin , Bühnenbilder und Kostüme für seine Werke und korrigierte weiterhin seine Partituren. Das fiel mir leicht, da ich die Noten nicht musikalisch, sondern visuell wie ein Bild las, so fiel mir falsch Abgeschriebenes schnell auf. In den Anfangsjahren waren seine Partituren vom traditionsreichen Wiener Musikverlag Universal Edition veröffentlicht worden. Später, als die Partituren durch die grafische, also bildhafte Notation zu kompliziert wurden, fertigte der Verlag nur noch fotografische Reproduktio nen an. Oft hatte dann nur der Dirigent die komplette Partitur vorliegen – es gab nicht einmal ein Zweitexemplar –, die einzelnen Musiker dagegen nur ihre jeweilige Stimme.
Große Werke wurden im Verlag oft jahrelang »auf Eis gelegt«. Nach der Uraufführung verschwand die Partitur meist im Archiv. Komponisten fürchteten auch um ihre Urschriften – nachdem man mit Schönbergs Originalpartituren im Antiquariatshandel ganz gute Geschäfte gemacht hatte, versuchte man in Wien, die autografischen Notationen grundsätzlich einzubehalten. Darüber gab es manchen Disput, so auch 1963 einmal. Ich hatte Stockhausen schon damals geraten, doch besser seinen eigenen Verlag zu gründen. Da er sowieso alles selber zeichnete und auch die Reproduktion der Auszüge und Stimmen mittlerweile in Köln, nicht mehr in Wien, stattfand, gab es doch keinen Grund, dem Verlag treu zu bleiben. Als Direktor Alfred Schlee gestorben war, sein Freund und seine Bezugsperson bei der Universal Edition, vollzog Stockhausen diesen Schritt, und künftig wurde alles – Notation, Druck oder sons tige Vervielfältigung, Vertrieb – in eigener Regie in Kürten er ledigt.
Unsere persönlichen Wege liefen jedoch weiter auseinander. Im Herbst 1971 verliebte ich mich in David Johnson, einen Musiker, der Stockhausen schon 1967 bei der Produktion seines Monumentalwerks Hymnen im Elektronischen Studio des WDR assistiert hatte. Wir wollten beide ein Kind, und als Sofie im Juli 1972 geboren wurde, schienen meine Abtreibungsschmerzen endlich überwunden. Die Albträume hörten auf. David war fünf Jahre jünger als ich, sehr intelligent, still, bescheiden und ein rührender Vater. Er liebte den Wald, sammelte Pilze, trocknete Äpfel und lebte in einem einfachen Fachwerkhaus im Bergischen Land, wo er auch komponierte. Ein Ruhekissen nach meinen elf Jahren mit einem nach den Sternen greifenden Genie.
Mit Johannes Fritsch und Rolf Gehlhaar hatte David das Feedback Studio aufgebaut, eine
Weitere Kostenlose Bücher