Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter
Mann verbunden hatte, war ihm unerträglich. So schob er Dirigentenstock und Berufsehrgeiz, auch Schwüre der Geliebten gegenüber beiseite und flog mir sofort nach, um mich heimzuholen. Sein Assistent musste die Proben mit dem Orchester übernehmen. Anne erzählte mir später einmal, es sei ihr vorgekommen, als hätte Stockhausen sie mitten im Beischlaf alleingelassen. Sie verriet mir auch, wie sehr sie sich damals gewünscht hatte, ich würde einen anderen Mann finden, damit Karlheinz frei wäre und sie hätte heiraten können. Anne hatte einen acht jährigen Sohn aus ihrer früheren Ehe, mit dem sie gern zu Stockhausen gezogen wäre.
Im Foyer des Hotels in Cambridge, in dem ich uns ein Zimmer gemietet hatte, traf Karlheinz mit Philipp zusammen und ging sofort zum Angriff über: »Sie haben mir meine Frau gestohlen!« Philipp reagierte gelassen: »Nein, die ist Ihnen davongelaufen.« Ich saß eine Etage darüber auf der Treppe und lauschte dem verbalen Schlagabtausch – es ging ja um mich. Doch dann drifteten meine Gedanken seltsam ab, ich merkte, dass ich Philipp nur benutzt hatte, wenn auch mit allen Gefühlen, die dazu nötig gewesen waren. Er war kein Mann, mit dem ich wirklich leben wollte, durch ihn hatte ich mich nur aus der Symbiose mit Stockhausen gelöst. Auch kam ich mir bei den Verhandlungen der beiden Männer nun wie eine Ware vor, die man hin und her schieben, erwerben, veräußern oder sich gegenseitig wegnehmen konnte. Gegen diesen Besitzanspruch regte sich Trotz in mir. Ich freute mich in diesem Moment auf eine Zeit ganz allein, nur mit meinen Kindern und meiner Kunst. Mehr als alles andere erschien mir das lebbar und lebenswert. Jedenfalls sollte Philipp nicht der Vater meines ersehnten dritten Kindes werden, auch wenn ich den Rest meiner »Eheferien« noch ganz gern mit ihm verbringen wollte, nur nicht mehr im selben Bett.
Später brachte ich Stockhausen zurück zum Flughafen. Er beschwor mich, uns noch eine Chance zu geben, versprach, alles neu zu regeln, auch ein Kindermädchen dürfe nun ins Haus. Bis dahin hatte er nämlich nie »unbewusste Wesen« – so nannte er alle dienstbaren Geister – in der Nähe haben wollen, sie hinderten ihn am Komponieren.
Bisher hatte ich den Riesenhaushalt in Kürten samt der Besuche von Doris und ihren Kindern am Wochenende und den von Stockhausen spontan eingeladenen Gästen immer nur mit trickreichem Jonglieren meistern können. Sobald er aus dem Haus war, zum WDR , zur Rheinischen Musikschule oder auf Reisen, hatte ich ein Heer von Hilfskräften anrollen lassen: eine Hilfe im Garten, eine am Bügelbrett, eine in der Küche zum Hacken von Kräutern, Zwiebeln, Knoblauch, damit sich die Gefriertruhe wieder mit den Zutaten füllte, die man für ein gutes Essen benötigte. Die Betten mussten mal wieder frisch bezogen werden, die vielen Fenster geputzt, das Schwimmbad von Algen, die Sauna von Spinnweben befreit werden und vieles mehr. Ich ließ diverse Handwerker für die ständig anfallenden Reparaturen kommen. »Das Leben in der materiellen Welt ist ein ständiger Kampf gegen die Entropie«, wie Stockhausen sagte. Aber alles wurde in Windeseile erledigt, und wenn er dann nach Hause kam, saß ich ruhig auf der Treppe, im Sommer vor dem Haus. Der Spuk war vorbei, und ich konnte mich auf ihn freuen. Nur wenn er dann vor Freunden posaunte: »Mein Mariechen macht das alles ganz alleine«, musste ich innerlich lachen.
Gutes Essen war ebenfalls eine solide Basis für unsere Gemeinschaft gewesen. Doris war ja eher asketisch eingestellt, sie kam aus der Hamburger guten Gesellschaft, da zeigte man weder Reichtum, noch erlaubte man sich großen Genuss, geschweige denn Verschwendung. Mit dieser Genügsamkeit hatte ich aufgeräumt und für uns alle gern aufwendig gekocht.
Ohne das Geld, das ich von meiner New Yorker Galerie Bonino bekam, wäre es mir gar nicht möglich gewesen, den Haushalt so am Laufen zu halten. Um diese Dollars zu verdienen, musste ich allerdings Dreck und Lärm machen, das ließ sich beim Herstellen von Bildern und Objekten nicht vermeiden. Schreinerarbeiten wurden ausgeführt, Transportkisten verschraubt, Speditionen kamen vorbei, um die Werke nach New York zu schaffen. Und ich musste auch oft verreisen zu Ausstellungen, Museen, Interviews. Meine Abwesenheiten boten Stockhausen dann wieder Gelegenheit für seine zahlreichen Affären.
Aber nun sollte alles anders werden. Während wir da in der Warteschlange am Flughafen standen, sprudelte es
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