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Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bauermeister
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Stunde steuerte Tawastjerna uns in eine fast schluchtartige Seeenge wie zwischen die Säulen des Herkules. Kurz darauf kamen uns aus einer Bucht zwei Boote entgegen. Waren es Fischer? Oder Bauern? Jedenfalls kantige Menschen mit holzschnittartigen Gesichtern; sie erinnerten mich an Runen in ihrer Eckigkeit. Die sechs Männer sprangen an Land, ihr Gang war von mächtiger Kraft.
    Sahen wir hier den Gegenpol zu der sommerlichen Überhelle? Erblickten wir in diesen ernsten, klaren Gesichtern den Ausdruck winterlicher Kälte und Dunkelheit? Zumindest überkam uns dieses Gefühl, als wir uns nun mit den Männern auf der Insel einfanden. Es dauerte lange, bevor man zur Besprechung der Sache, das heißt dem Kaufpreis und der Abwicklung, kam. Denn, so erklärte uns Tawastjerna, da müsse man behutsam sein, diese Männer seien stolz, und der Verkauf von Land bedeute für sie viel mehr als bloß ein Geschäft, eine Geldeinnahme. Ihr Grund und Boden, ihr Land war ihnen heilig. Finnland hatte sich ja gerade erst selbst neu erschaffen und dem mächtigen Russland gegenüber behauptet, darauf war man sehr stolz.
    Nun saßen die sechs, mit rauen Stimmen sich besprechend, am oberen Rand eines Felsens, während wir Brennbares suchten und am Ufer in einer Mulde ein Feuer entzündeten. Der große Topf wurde mit Seewasser gefüllt, die Kartoffeln gewaschen, mit Schale in Würfel geschnitten, hineingelegt und das Wasser zum Kochen gebracht. Dann ging man fischen, das heißt, Stockhausen und ich gingen immer nur mit, wir begleiteten die Routine all dieser Tätigkeiten. Zwei Fische wurden schnell und geschickt ausgenommen, landeten in der nun garen Kartoffelsuppe, und wenig später, als die Unterredung beendet war, versammelten sich beide Gruppen, also die Männer und wir, am Kochtopf.
    Die Suppe wurde vom Feuer genommen, gesalzen, und man gab kalte Milch dazu, wodurch sie etwas abkühlte. Tawastjerna nahm die Fische heraus, legte sie auf den Felsen, entfernte die Mittelgräte, zerteilte sie in Stücke. Löffel wurden verteilt, und dann aßen wir die breiartige Kartoffelsuppe zu den Fischbrocken. Es gab keine Teller und daher auch keinen Abwasch. Es war ein rituelles Mahl, und alle erfasste eine gehobene Stimmung. Zum Essen braucht es keinen Übersetzer. Die Männer legten neue Zweige auf das Feuer, um das wir noch lange herumsaßen, dann packten sie selbstgebrannten Schnaps aus, der herumgereicht wurde. Sie schienen geübt im Trinken. War das das Ritual der dunklen Winternächte, ertrug man sie nur benebelt, narkotisiert?
    Stockhausen, Tawastjerna und ich waren keine Schnapsfreunde und lehnten dankend ab. Vielleicht war das ein Fehler, vielleicht hatten wir uns ausgegrenzt und hätten mit ihnen trinken sollen? Nun, die Entscheidung zum Verkauf fiele sowieso nicht sofort, übersetzte uns Tawastjerna. Sie bräuchten Zeit. So blieben wir noch ein wenig am Feuer sitzen und erkundeten anschließend die Insel. Das dauerte nicht allzu lange, Bucht und Landungssteg kannten wir ja schon, und außer dem Eingangstor, den Säulen des Herkules, gab es nur eine überschaubare Hügellandschaft von eisgeglätteten Granitfelsbuckeln, ein Wäldchen, eine moorartige Niederung, dann wieder Wald. Dort konnte man Preiselbeeren und Pilze finden, die Stimmung erinnerte an Hänschen im Blaubeerwald aus dem schwedischen Kinderbuch von Elsa Beskow. Fast schienen Trolle mit am Feuer zu sitzen, wir fühlten uns wie beobachtet von unsichtbaren Wesen. Durften wir hier überhaupt eindringen, waren wir hier willkommen? Was würde die Insel mit uns machen? Die sechs Männer waren inzwischen abgefahren, die Entscheidung war auf nächsten Sommer vertagt worden. Wir packten Topf und Löffel wieder ins Boot und machten uns nachdenklich auf die Heimfahrt.
    Tawastjerna las unsere Gedanken. Zwischen Karlheinz und mir war ohnehin kein Gespräch nötig, wir konnten uns wie selbstverständlich ohne Worte miteinander austauschen. Aber nun war Tawastjerna auch daran beteiligt. Durch gelegentliche Blicke gab er uns zu verstehen, dass er mit von der Partie war. So führten wir einen stummen Trialog. Am Ende der Fahrt wussten wir: Es sollte nicht sein, wir würden hier kein Land erwerben. Aber die Erinnerung an diesen Tag wirkte noch lange nach, und bis heute vergesse ich nicht die heilige Stimmung jenes wie von Menschen unberührten Ortes. Man hätte ihm wie einem Tempel dienen können, einem Naturtempel, man hätte dort ein zurückgezogenes, asketisches Leben führen können; aber

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