Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter
Musikuniversität sein, orientiert am Darmstädter Vorbild.
In jenen Tagen in Palermo erreichte mich ein Telegramm aus New York. Der Galerist Alfredo Bonino hatte sich auf Anregung von Emilio del Junco meine Werke aus der Fairleigh Dickinson Summer University im Riverside Art Museum angesehen und wollte mich nun für seine im Winter zu eröffnende Galerie in New York gewinnen: »Interessiert an Vertrag mit Ihnen als permanent artist .« Ich war selig, mein erster Vertrag als feste Künstlerin einer Galerie stand in Aussicht, mit einer monatlichen Basisvergütung!
Auf dem Hotelbalkon hatte ich in Palermo ein sehr gutes Steinbild geklebt und wollte das nun unbedingt zu Bonino spedieren. Dazu hatte ich mir von Stockhausen Geld geliehen. Ich wollte auch noch eine Riesenkiste voll Material mit nach New York schicken: die zweite Hälfte der geflickten Bettlaken, dazu flache Steine, die es so nur am Mittelmeer gab, und einen großen Sack mit trockenen »Kamelkötteln« – ausgewaschene Kokosfaserbälle aller Größen, die ich auch am Strand gesammelt hatte. Alles wunderbares Material für meine Ready-trouvé -Serie mit Fundstücken aus der Natur, die ich zu Kunst weiterverarbeitete. Als Hommage an Marcel Duchamp, der viel mit gefundenen Alltagsgegenständen, also den objets trouvés , arbeitete und sie durch kleine Änderungen zu sogenannten Ready-mades umgestaltete, gab ich meinen Werken diesen Namen Ready-trouvé . Duchamp, der schon lange in New York lebende französische Maler und Objektkünstler, den man als Vater der Konzeptkunst bezeichnen könnte, war der wichtigste Vordenker, den ich in der bildenden Kunst für mich akzeptierte. Später würde ich ihn als Freund von John Cage gut kennenlernen.
Stockhausen, sicher noch echauffiert durch das musikalische Desaster mit den Interpreten, wurde wütend: »Da leihe ich dir tausend Mark, und du verschiffst Steine, Lumpen und Kamelscheiße nach New York!« Ich blieb aber standhaft, und vier Monate später, als meine in der Galeria Bonino ausgestellte Steinarbeit Stone-Progression noch am Abend der Eröffnung ans Museum of Modern Art verkauft wurde, konnte ich Stockhausen telegrafieren, dass der Grund für unseren Sommerstreit nun im Museum hinge. Mit dem Geld, das mir die Galerie für diese Arbeit sowie für meine Amsterdam-Bilder, die ich zuvor aus Köln nach New York hatte verschicken lassen, bezahlte, konnte ich auch alles von Karlheinz und Doris geliehene Geld zurückzahlen. Dieter Rosenkranz erließ mir meine Schulden bei ihm, das heißt, er bekam von mir eine weitere Arbeit dafür.
Die Rückreise von Palermo im Herbst 1963 war so geplant, dass wir sofort nach Baden-Baden zum Südwestfunk fahren wollten; dort wurde geprobt für die Uraufführung von Stockhausens Werk Punkte , dieam 20. Oktober in Donaueschingen unter Pierre Boulez als Dirigent stattfinden sollte. Dieses Stück hatte er im vorigen Winter im Stillhouse fertiggestellt.
Bislang waren wir in der offiziellen Musikwelt, wenn überhaupt, dann immer nur zusammen mit Doris aufgetreten. Als wir im Hotel in Baden-Baden ankamen, trug Karlheinz uns als Herr und Frau Stockhausen in die Anmeldeformulare ein. Damals bekamen ja Nichtverheiratete in Hotels und Gasthöfen gar kein gemeinsames Zimmer. Wer Räume an unverheiratete Paare vermietete, machte sich der Kuppelei schuldig.
Kaum waren wir untergebracht, meldete sich Boulez an der Rezeption, um Frau Stockhausen, gemeint war natürlich Do ris, zu begrüßen. Derartige Verwicklungen entstanden also durch Lügen. Karlheinz erklärte, seiner Frau ginge es nicht gut und sie müsse das Bett hüten. Und so blieb ich tatsächlich eine Woche lang im Zimmer; außer dem Frühstück, das mir gebracht wurde, aß ich nichts und trank nur Wasser aus dem Badezimmerhahn. Das kam mir ganz gelegen, denn ich hatte mich nach den Festessen im Hotel in Palermo zu einer Fastenkur entschlossen.
Um mir die Zeit zu vertreiben, arbeitete ich an einem der sizilianischen Bettlaken, das ich im Handgepäck mitgebracht hatte. Tusche, Bleistift und Grundierung hatte ich immer im Reisegepäck, Nadel und schwarzen Faden besorgte mir Karlheinz. So entstand in dieser Woche das Lichtkastenwerk Needless needles , das sich heute im Besitz des Museum Ludwig in Köln befindet. Das Bettlaken war durch Fäden, Nadeln und Zeichnungen zu einem »Nähbild« geworden, die Felder und Markierungen der Flicken wirkten wie eine Landschaft. Die Nadeln, die ich in das Werk hineinzeichnete, taugten nicht zum
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