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Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bauermeister
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Vergütung, aus reiner Liebe zur Musik. Als Auftakt fand ein fulminanter Stockhausen-Abend in New York statt, bei dem der Konzertsaal des Hunter College mit Zuhörern, zumeist Beatniks aus Greenwich Village, überfüllt war. Im Publikum saßen auch Leonard Bernstein sowie die Komponisten Lukas Foss, Edgar Varèse und Stefan Wolpe. Varèse und Wolpe hatte ich schon als Dozenten in Darmstadt erlebt, wo sie sich durch ihren Humor und ihre Offenheit sehr beliebt gemacht hatten.
    Die erste Station der Tournee war danach Chicago, anschließend ging es weiter nach Boulder, Colorado, wo die Reise auf einmal abenteuerlich wurde. Alvin King, ein Kompositionslehrer an der Universität von Boulder, hatte das Konzert arrangiert. Er fragte uns, ob es uns Spaß machen würde, die Weiterreise nach Kalifornien mit ihm per Privatflugzeug zu machen. Natürlich fanden wir das eine verlockende Idee, waren allerdings dann ziemlich erstaunt, dass er sich dieses Flugzeug erst noch anschaffen musste. Er tauschte dafür einfach seinen Buick ein. Stockhausen, David Tudor und ich waren seine Passagiere, während Christoph Caskel und Max Neuhaus den gebuchten Linienflug benutzten. Sie nahmen auch unsere Koffer und die Instrumente mit.
    Nur mit kleinem Handgepäck stiegen wir in die viersitzige Maschine. Wir flogen über die Rocky Mountains und anschließend in den Grand Canyon hinein – mit dem kleinen Flugzeug war das möglich. Als wir die Berge überwunden hatten, änderte sich allmählich die Landschaft. Fast unmerklich ging sie in eine Ebene mit tief eingeschnittenen Sandsteinschluchten über. Ich fühlte mich wie in einem Positiv-Negativ-Raum. Was zunächst Berg war, wurde nun Tal. Als wir aus dem Tal hinausflogen, verwandelten sich die Schluchten allmählich wieder in ihre Positivformen zurück, in einzelne in den Himmel aufragende Felsen und Felsformationen. Der ganze Flug war ein beeindruckendes und wunderschönes Erlebnis.
    Irgendwann wurde das Funkzeichen, das einem anzeigte, in der Nähe welcher Stadt man sich gerade befand, zu schwach. Als auch noch das Benzin zur Neige ging, beschloss Alvin, nach einer Siedlung zu suchen und dort zu landen. Etwas später gingen wir über der Wüste neben einer Barackenkolonie nieder. Doch kein Mensch war dort zu sehen, es herrschte gespenstische Stille. Auf einmal bewegte sich hinter einem Fenster ein Vorhang, ein Gesicht erschien und verschwand wieder. Hinter den anderen Vorhängen versteckten sich offenbar weitere dunkle Gesichter. Die Sonne stand schon schräg am Himmel, kein Tier, kein Vogel war zu hören, kein Lufthauch regte sich. Da kam endlich hinter einer Baracke eine indianische Krankenschwester hervor. Sie erklärte uns, dass wir in einem Tuberkulosereservat gelandet seien, in dem man kranke Indianer an der sauberen Luft verwahre. Sie hätten Angst vor dem Flugzeug.
    Erleichtert fragten wir nach Benzin. Sie verwies uns eine Stunde westwärts an eine kleine Stadt namens Tuba City, dort gebe es eine Tankstelle, an der man Traktorentreibstoff bekomme. Alvin und David gingen also los, während Stockhausen und ich auf das Flugzeug aufpassten. Dazu hatte die Schwester uns dringend geraten. Nach zwei Stunden kamen die beiden mit zwei Kanistern zurück. Noch vor Dunkelheit waren wir wieder in der Luft und hatten auch bald Funkkontakt zu Navajo City, der zentralen Stadt des Indianerreservats. Wir übernachteten dort in einem schlichten Motel. Vom Besuch des Reservats riet uns der Wirt ab. »Das wird Sie nur enttäuschen, es sind keine Indianer mehr.« Schuld daran seien die Bibel und der Alkohol. »Forget Karl May!«
    Am andern Tag flogen wir weiter nach Los Angeles, wo das nächste Konzert stattfand. Zwei Tage blieben wir in der »Stadt der Engel« und nutzten die Zeit, um zwei uns wichtige Frauen zu besuchen.
    Die eine war Gertrud Schönberg, die Witwe des 1951 verstorbenen österreichischen Komponisten Arnold Schönberg. Er war jüdischer Herkunft, hatte die Religion aber in seiner Jugend aufgegeben. Als ihm jedoch 1933 der Meisterkurs für Komposition an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin durch die NS -Gesetzgebung entzogen worden war, hatte er sich dem jüdischen Glauben wieder angeschlossen und war einen Monat später mit seiner Frau in die USA emigriert. Schönberg, der sich in Amerika nun Schoenberg schrieb, war dort lange als Professor tätig, zuletzt an der University of California. John Cage hatte bei ihm studiert. Nuria, die Tochter des Paares, war mit Luigi Nono

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