Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bauermeister
Vom Netzwerk:
war zu einem kulturellen Asyl geworden, einer Anlaufstelle für viele deutschsprachige Emigranten, aber auch für amerikanische Freunde ihrer Familie. Und so hatte sich die Villa zu einem Begegnungszentrum für europäische und amerikanische Kultur entwickelt. Die Elite Europas habe sie bei sich zu Gast gehabt, sagte Marta Feuchtwanger. Es hatten sich dort unter anderem Thomas und Katia Mann eingefunden, Bertolt Brecht, Charlie Chaplin, Aldous Huxley oder Charles Laughton. Sie habe die Gesellschaft sehr genossen. (Heute ist die Villa Aurora eine Kulturstiftung, Aufenthaltsort für Schriftstellerstipendiaten aus aller Welt.)
    Im Gegensatz zu Frau Schönbergs strenger Enge war Frau Feuchtwanger eine sehr aufgeschlossene Dame von Welt, übrigens auch von selten gesehener Altersschönheit. Sie hatte ein klares Profil, dunkle Haut, warme, schöne Augen, eine schlanke Figur und trug exotische Kleidung. Mir fiel nicht nur ihre Warmherzigkeit auf, sondern vor allem ihre Weitherzigkeit. Sie haderte nicht mit dem Schicksal und wirkte kein bisschen verbittert, nahm vielmehr die Dinge oder die Menschen auf ganz generöse Weise eben so, wie sie waren.
    An diesem Sommerspätnachmittag standen wir an einem nach Südwesten gelegenen Fenster und blickten auf die Küste hinaus. Frau Feuchtwanger beendete ihre Erzählungen und betrachtete einfach nur das Meer. Wir blieben ehrfürchtig still, sie schien ihren Blick schon auf eine andere Dimension zu richten, und ihr schönes Gesicht bekam fast etwas Verklärtes. Später bemerkte sie, wie gut es für sie gewesen sei, noch einmal mit Deutschen, jungen heutigen Deutschen zu reden. Nein, wiedersehen würden wir sie in dieser Welt nicht mehr. Zum Abschied sagte sie nicht »Auf Wiedersehen« sondern »Adieu«.
    Wir fuhren zurück ins Hotel, denn am nächsten Morgen sollten wir sehr früh in Alvin Kings kleines Flugzeug steigen und nach San Francisco weiterfliegen. Und wieder wurde ein Drama daraus. Wir starteten bei hellem Sonnenschein, doch auf dem Weg nach Norden wurde es zusehends dunkler und nebliger. Ein heftiger Sturm kam auf. Alvin zog das Flugzeug hoch über die Wolken, wo es ruhiger war. Erneut bot sich uns ein wunderschönes Naturschauspiel, die Sonne im Rücken, unter uns eine sich auftürmende Wolkenmasse.
    Doch dann wurde wieder das Benzin knapp, der kleine Tank fasste allzu wenig. Als auch noch der Funkkontakt ausfiel, versuchte Alvin, durch die Wolken wieder nach unten zu stoßen. Später gestanden wir uns alle gegenseitig, dass wir dachten, das sei das Ende. Wir flogen durch die Gewitterwolken mit Blitzen und Donner, das Flugzeug wurde hin und her gerüttelt, alles, was nicht niet- und nagelfest war, wirbelte durch die Kabine. Wir klammerten uns aneinander fest. Da erkannten wir unter der Wolkendecke eine Insel im Meer. Wie sich später herausstellte, lag sie vor San Francisco. Wir waren der Küstenlinie mehr oder weniger gefolgt, auch ohne Sicht, nur mit Hilfe des Kompasses.
    Nach der wagemutigen Landung lagen wir uns in den Armen, erleichtert, noch am Leben zu sein. Ein Bauer kam überrascht herbeigeeilt, er besorgte uns dann mit seinem kleinen Boot das nötige Benzin. Wir flogen weiter und landeten schließlich in San Francisco auf dem Flughafen. Alvin gestand uns, er habe sich größte Sorgen um den Fortbestand der Musikgeschichte gemacht, als er seine kostbare Fracht beinahe nicht heil auf den Boden zurückgebracht hätte. David Tudor war erstaunlich ruhig geblieben, wie ein Zen-Mönch. Ich hatte mich auch einigermaßen im Griff gehabt, aber für Stockhausen war es der blanke Horror gewesen. Später dankte er mir dafür, dass ich nicht in Panik geraten war, das habe beruhigend auf ihn gewirkt.
    Für den Nachmittag war ein Besuch bei Harry Partch vorgesehen, vermittelt durch David Tudor. Er, Christoph Caskel und Stockhausen wollten den Instrumentenbauer und Komponisten aufsuchen, der auf einer ehemaligen Hühnerfarm in der Nähe von San Francisco lebte. Ich blieb lieber allein – unser Beinaheabsturz war für mich eine zu einschneidende Grenzerfahrung gewesen. Die drei Männer kehrten spätabends sehr beeindruckt von Harry Partch zurück. Sie waren glücklich, erlebt zu haben, wie jemand völlig eigenständig neue Klangwelten auf selbstgemachten Instrumenten schuf.
    Wir setzten unsere Reise dann in einem Linienflugzeug fort. Alvin verkaufte das kleine Flugzeug wieder und bekam sein Auto zurück.
    Auf der Tournee war uns aufgefallen, dass die Leiter der

Weitere Kostenlose Bücher