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Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bauermeister
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Kamelköttel knüpften, um derentwillen Karlheinz und ich uns im Vorjahr in Palermo gestritten hatten.
    However call würde ich das Werk nennen – so würde ja auch der Titel meiner ganzen Ausstellung lauten. Denn auf die Frage meines Galeristen Bonino, wie wir die Ausstellung nennen sollten, sagte ich: »Nun ja, nennen wir sie … wie auch immer. Also: However call .« Fast nichts in der Kunst bisher Gekanntes oder Anerkanntes würde ja dort zu sehen sein, und ich wollte mich auch nicht eingrenzen durch die Erfindung eines genaueren Titels.
    Als Howevercall endlich fertiggestellt war, wurde das Objekt abgeholt, und wir arbeiteten bis spätabends in der Galerie an der Aufhängung. Wenigstens den von der Decke herabhängenden Teil hatten wir geschafft. Der von unten entgegenkommende Teil würde ein angebrannter, ein Meter achtzig hoher Baumstamm sein, den ich 1963 von Staten Island per Fähre nach Manhattan und von dort ins Atelier im National Arts Club befördert hatte.
    Stockhausen würde mir am nächsten Tag beim Aufstellen der weiteren Werke helfen. Er war gerne dabei, wenn es um die Verteilung meiner Arbeit im Raum ging. »Da muss noch ein Hauptwerk hin, in die andere Ecke eine Antwort.« Er agierte eben als Musiker. »Hier muss ein stilles Werk hin – und da, in dem Raum kannst du Krach machen, da häufe mal alles Komische an.« Und die kostbaren kleinschriftigen Zeichnungen, die gehörten in die Vitrine. Von den Lichtkästen sollte einer versteckt sein, ein anderer schon beim Betreten der Galerie sicht bar. Er komponierte. Das Stille und das Laute, das Langsame und das Schnelle – damit meinte er die Zeitdauer der Arbeitsprozesse – wurden ausgewogen verteilt. Eine zum Beispiel krakelig und schnell hingeschmierte Skizze wurde direkt neben das feinst gezeichnete Blatt gelegt, und in der Vitrine daneben solle ich einen Übergang herstellen, von einem Extrem ins andere.
    Mein Werk Box-Progression in 5 Steps setzt sich aus fünf Kästen zusammen, die in ihren Maßen der Fibonacci-Reihung entsprechen, das heißt, die jeweils folgende Boxgröße ergibt sich durch Addition der beiden vorherigen. Diese Arbeit arrangierte ich neben eine Tuschezeichnung, die die Werkgruppe Needless needles ergänzte. Darin war alles streng mathematisch platziert, und durch Permutation der verwendeten Elemente entstanden die absurdesten Verknüpfungen. Das war Stockhausens Komponiermethode, die ich ja schon 1961 bei der Malerischen Konzeption in meine Arbeitsanweisungen integriert hatte. Sie sollte nun auch beim Hängen und Arrangieren der Ausstellung von 1964 zur Anwendung kommen.
    In der Nacht, als Hala und ich die Hängung der Kamelköttel abgeschlossen hatten, sollte ich New Yorks dunklere Seite kennenlernen. Wir verließen zu später Stunde die Galerie. Hala wollte wieder einmal zurück in ihr eigenes Haus in New Jersey fahren, mich aber vorher noch am Riverside Drive absetzen. Wir fuhren die 57. Straße zunächst westwärts, auf den Straßen war viel Verkehr und reges Nachtleben. Wir beobachteten, wie ein alter weißhaariger Herr mit einer schwarzen Begleiterin in ein vor uns haltendes Taxi stieg. Kurz darauf begann der Herr, wild mit seinen Händen zum Fenster heraus zu gestikulieren. Ich kurbelte mein Fenster herunter und hörte ihn um Hilfe schreien. Wir konnten sehen, wie die schwarze Schöne ihn währenddessen mit einem Tuch strangulierte. Wir versuchten, dem Auto zu folgen. Niemand schien die Rufe des Opfers zu hören oder zu beachten. An einer Ampel verloren wir sie. Wir fuhren zur nächsten Polizeistation, um dort Bericht zu erstatten, bekamen aber nur ein mitleidiges Lächeln des Beamten. Wo wir wohl herkämen, aus Europa? In New York City sei so etwas völlig normal. Es geschehe jede Nacht, jeden Tag, jahraus, jahrein, und es sei vollkommen zwecklos, solche Vorkommnisse zu verfolgen. Er notierte sich dennoch alles, für den Fall, dass sich unter den Opfern der Nacht jener alte weißhaarige Mann befinden sollte.
    So hatte ich New York noch nicht erlebt. Arglos war ich auch nachts im Central Park spazieren gegangen, war er doch gerade im Mondschein und menschenleer besonders schön. Bis man mich warnte, als Frau sei das geradezu todesmutig. Ich konterte, ich sähe doch von Weitem schon von meiner Statur her eher wie ein Mann aus. Doch man beharrte, ich solle das bleiben lassen. »Hey, Miss Cornflakes, not everything is sunny here«, höre ich noch Allan Kaprow, den Vater aller Happenings, sagen. Allan hatte mir in

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