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Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bauermeister
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sich, die in seltsamem Gegensatz zu seiner eleganten Kleidung standen. Der Wirt kam später zu uns und erklärte, der Mann sei ein radikaler, aber ehrenwerter Vertreter ihrer Interessen. Weiße Amerikaner dulde man im Lokal nicht. Wir seien nur durch die Einführung unserer Freundin Hala hier aufgenommen, die als Weiße auch nur deshalb Zutritt habe, weil sie die schwarze Schülerin bei sich aufgenommen habe. Wir sollten uns also heute als seine Gäste fühlen.
    Der Wirt beschämte uns. Als Weiße fühlten wir uns nun freilich umgekehrt diskriminiert. Und die Situation wurde noch vertrackter. Er erklärte, wir Deutsche bildeten eine Ausnahme unter den Weißen, wir seien den Schwarzen durchaus sympathisch, weil wir mit ihnen die Abneigung gegen jüdische Menschen teilten. Mit uns könnten sie sich solidarisieren. Fast alle Vermieter in Harlem seien Juden und schnürten den Schwarzen die Kehle ab. Es dauerte eine Weile, bis wir uns wortreich von dieser pauschalen Unterstellung einer Judenfeindlichkeit aller Deutschen und aus der unangenehmen Situation befreit hatten.
    Das Aufeinanderprallen der Ethnien, Kulturen und Religionen, die Einwanderer kamen ja aus aller Welt, machte für Stockhausen die New Yorker Aufenthalte zu einer sehr wichtigen Erfahrung. In einem Interview sagte er später, New York sei das erste Modell einer mondialen Gesellschaft, und ein Künstler müsse diesen Mix aus Lebensgewohnheiten und Philosophien unbedingt einmal miterlebt haben. Ich hatte ihn wohl mittlerweile überzeugt.
    Ein Besuch beim exzentrischen Jazzmusiker Thelonius Monk sollte Karlheinz gar dazu veranlassen, seine Haltung zum Jazz zu überdenken, den er bislang immer als zu simpel abgelehnt hatte. Monks eigenwilliger Klavierstil hatte es ihm angetan, er wurde nachdenklich und musste eine musikalische Weiterentwicklung des Jazz zugeben. Bislang hatte er ihn nie als ernst zu nehmende Alternative zur Avantgardemusik wahrgenommen. Als wir 1960 ein Konzert von Miles Davis in den Kölner Messehallen besucht hatten, waren darauf heftige Diskussionen um den musikalischen Anspruch entbrannt. Bei den vielen kleinen Jazzkonzerten im Kölner Café Campi war Stockhausen nie dabei gewesen. Im New Yorker Village, wo die Jazzmusiker in den engen Lokalen improvisierten, hatte er sich die Musik zumindest interessiert angehört. Nun schien bei ihm gar eine gewisse Aussöhnung mit dem Jazz stattzufinden.
    Als sich Stockhausens Lehrauftrag in Philadelphia dem Ende zuneigte, unternahmen wir noch eine Abschiedsreise. Die Musikmanagerin Judith Blinken hatte uns zu einer Tour nach Hatteras geraten, der North Carolina vorgelagerten Insel. Die sei traumhaft schön. Wir befolgten ihren Rat und buchten zwei Plätze in einem kleinen Flieger. Auf Hatteras angekommen, wanderten wir – nur mit Geld und Badekleidung ausgestattet – von der kleinen Landebahn südwärts am blitzweißen Sandstrand entlang zum Inselvorsprung Cape Hatteras. Das Meer war klar und hell. Die Vegetation bestand fast nur aus Gestrüpp; ab und zu kamen wir an einem halbhohen Baum vorbei, in dessen Schatten sich Wildpferde tummelten. Manchmal galoppierte eine ganze Herde dieser fast weißen Tiere zum Abkühlen ins Meer.
    In der Mittagshitze hatten wir unsere wenigen Kleider abgelegt und wir trugen sie nun zum Bündel gerollt als Sonnenschutz auf dem Kopf. Stundenlang wanderten wir so nach Süden. Wir hätten von den Pferden lernen und auch besser den Schatten suchen sollen, doch uns war gar nicht bewusst, dass wir uns, was den Breitengrad anging, auf der Höhe von Kairo befanden. Spätnachmittags kamen wir endlich im Süden der Insel an. Ein Sonnenbrand machte sich bemerkbar, doch wir nahmen ihn noch nicht ernst. Als wir im Fischerhafen einen kleinen Snack an einer Bude aßen, bemerkten wir zahlreiche luxuriös ausgestattete Boote und viele bronzefarbene Amerikaner mittleren Alters. Doch die Stimmung erinnerte weder an die Côte d’Azur noch an Cape Cod, hier ging es allein ums Fischen. Aber auf welch brutale Art! Wir sahen Riesenfische, bunt schillernde, prächtige Tiere, die an schweren Angelhaken in den Hafen geschleppt wurden. Die Sportfischer machten an einem vorreservierten Anlegeplatz fest, und dann gingen sie ans Schlachten. Zunächst neugierig, dann immer entsetzter, ja angeekelt, sahen wir zu, wie sie diese schönen Lebewesen zermetzelten. Ritsch, ratsch, Schwanz, Flossen, Kopf zurück ins Meer, wo sich schon die anderen Fische tummelten, um sich die Überreste ihrer Artgenossen

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