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Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bauermeister
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Kölner Uraufführung von 1961 zu unterscheiden. Und er bestand darauf, dass Paik dabei sein müsse, schließlich sei er in Köln die Schlüsselfigur und sein Auftritt der Höhepunkt des jeweiligen Abends gewesen.
    Wir begannen mit den Proben, das heißt zunächst mit dem Zusammensuchen der »Originale«. Jeder sollte ja wieder sich selber darstellen, niemand in die Rolle einer fiktiven anderen Person schlüpfen, wie sonst im Theater üblich. Die Aufführung wurde wieder begleitet von elektronischer Musik aus Stockhausens Kontakte und Teilen aus seinem Werk Carré , hörbar gemacht über vier Lautsprecher, die in den Ecken des Saals angebracht waren.
    Die achtzehn Originale kamen aus der Elite der New Yorker Avantgarde. Der Beat-Poet Allen Ginsberg übernahm beispielsweise die Position des Schriftstellers, Billy Klüver half bei der Technik von Licht und Ton, Olga, seine Frau, und Lette Eisenhauer waren Modedamen. Alvin Lucier trat als Komponist auf, Charlotte Moorman als Cellistin, Max Neuhaus als Schlagzeuger und James Tenney als Pianist. Ich wollte diesmal die Rolle der Aktionsmalerin nicht selbst spielen, sondern lieber im Hintergrund mitwirken. Also hatten wir Robert Delford Brown als Maler engagiert.
    Am Abend der Premiere, am 8. September 1964, erwartete uns eine Überraschung. Gegenüber dem Theatereingang hatte sich eine Gruppe Künstler postiert, die, mit Schildern bewaffnet, gegen unsere Aufführung und namentlich gegen Stockhausen demonstrierten. Nieder mit dem Kulturkapitalismus, mit dem kulturellen Faschismus, hieß es da. Stockhausen als arrivierter Künstler und bürgerlicher Theoretiker sollte bestreikt werden. Sie verurteilten ihn als Vertreter der seriösen Musik, der Jazz und anderes als primitiv ablehnte, und wehrten sich gegen eine »Stockhausenisierung«. Viele Fluxus-Künstler waren an der Demo beteiligt, und ich erblickte sogar einige der für Auftritte im Stück vorgesehenen Leute.
    Hatte man uns unterwandert? Bereits im April des Jahres war bei einem Konzert unter der Leitung von Wolfgang Fortner in der New Yorker Town Hall gegen Stücke von Stockhausen demonstriert worden. Der selbsternannte Fluxus-Chef George Maciunas, der etwas überspannt die Fluxus-Ideologie verkündigte, hatte zusammen mit Henry Flynt die Gruppe Action Against Cultural Imperialism gegründet, um gegen die europäische Musikavantgarde in Person von Stockhausen zu demonstrieren. Ich kannte Henry Flynt, hatte ein Jahr zuvor, als wir uns noch im Stillhouse aufhielten, einen Vortrag von ihm gehört. »From culture to brend« hieß das Thema – die Wortkombination aus »bread« und »trend« ist schwer übersetzbar, sie meinte in etwa: von der Kultur zum Alltäglichen. Das war jedenfalls der Inhalt seiner Message: Kunst solle runter vom Sockel, raus aus den Museen, sie gehöre auf die Straße, habe schließlich mit den Menschen zu tun.
    Zu jenem Vortrag im Winter 1963 war ich allein gegangen, Stockhausen war mit Komponieren oder mit der Baronin beschäftigt gewesen. Doch Flynt hatte ihm seine Abwesenheit übel genommen, denn durch Cage, Tudor und andere Künstler, die im Stillhouse unsere Gäste waren, hatte es sich herumgesprochen, dass der europäische Meister der neuen Musik sich in der Nähe aufhielt. In einem Brief griff Flynt daraufhin Stockhausen an, warum er nicht gekommen sei, er habe ihn doch persönlich eingeladen zu seiner Veranstaltung. Karlheinz schrieb zurück, er empfinde seine Forderung, man habe seiner Rede beizuwohnen, als unverschämt. Ob er Zwangsvollstreckung bei Nichtbefolgung einer Einladung vorsehe? Damit hatte der Schlagabtausch begonnen. Die Anti-Stockhausen-Kampagne hatte auch mit verletzter Eitelkeit zu tun.
    Was hatte die Gruppe nun wohl vor? Zunächst waren wir ja noch mit den Vorbereitungen für unsere Aufführung beschäftigt und beachteten die Demonstranten wenig. Doch ich war beunruhigt und gewarnt. Auf der Bühne zog sich indessen Max Neuhaus bis auf eine rote Strumpfhose aus, James Tenney bekam eine teuflische Frisur verpasst, und Paik bestrich sich wieder mit Rasiercreme, um sich danach teils heulend, teils johlend in eine mit Wasser gefüllte Badewanne zu stürzen. Doch dann passierte es: Brown, der Maler, der mit einem riesigen Pappmascheepenis umkleidet war und mit diesem eindeutige Gesten vollführte, zündete auf der Bühne eine Stinkbombe. Brown war von Maciunas als Saboteur eingeschleust worden!
    Die Dämpfe hatten sich bereits zu undurchsichtigem Nebel verdichtet, die Gäste

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