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Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bauermeister
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Schwierigkeiten miteinander hatten, und so konnten wir uns aus manchem Konflikt »heraussingen«. Nein, in diesem Leben gab es für Stockhausen keine Askese, sondern nur das volle Ausleben auch der körperlichen Liebe. Und so entschieden wir uns ganz bewusst zur Zeugung unseres zweiten Kindes. Mit viel neuer Energie kehrten wir von dieser wunderbaren Woche nach Hause zurück.
    Nach einer Skandinavientournee Stockhausens folgten dann nur noch wenige Wochen, bis er nach Kalifornien flog, wo er einen sechsmonatigen Lehrauftrag an der University of California in Davis angenommen hatte. Ich begann mit den Vorbereitungen für meine nächste Einzelausstellung, die im Frühjahr 1967 bei Bonino in New York eröffnet werden sollte, und reiste ihm dann im Januar nach. Julika blieb in der Obhut meiner Mutter. In Kalifornien wollten wir nun endlich heiraten – so hatten wir es in Paris verabredet. Das Jugendamt hatte uns, wie befürchtet, nicht in Ruhe gelassen mit seinen Kontrollen. Wir hatten die Eheschließung nun schon anderthalb Jahre hinausgezögert, waren nach wie vor von Zweifeln bewegt, doch letztendlich siegte der Wunsch nach Legalisierung, zumal nun das zweite Kind unterwegs war.
    In Kalifornien hatte Karlheinz uns eine schöne Wohnung in der Künstlersiedlung Sausalito gegenüber von San Francisco gemietet. Sie lag direkt am Ende der Golden Gate Bridge und bot einen schönen Blick auf die San Francisco Bay. Er komponierte, zunächst an Projektion für Orchester, einer Auftragsarbeit von Leonard Bernstein zum hundertfünfundzwanzigjährigen Bestehen des New York Philharmonic Orchestra. Realisiert wurde das Werk dann jedoch nicht. Zweimal in der Woche erfüllte er seinen Lehrauftrag an der Davis University. Ich hatte Sehnsucht nach unserem ersten Kind, war schwanger mit dem zweiten und arbeitete noch an einigen Zeichnungen für die Ausstellung. Die großen Werke waren schon per Schiff von Deutschland nach New York verfrachtet worden.
    San Francisco war zu jener Zeit das blühende Zentrum der Hippiekultur. Die psychedelische Popmusik bahnte sich gerade einen Weg, und wir besuchten öfter die Fillmore Music Hall, wo Konzerte von Pink Floyd oder Jefferson Airplane mit für die damalige Zeit bahnbrechenden Lichtarrangements stattfanden. Stockhausen nannte die Musiker »Stratosphärenspinner«. (Vermutlich hätten in den späten Fünfzigerjahren viele Leute ihn so nennen mögen.) Ihm war diese Unterhaltungsmusik eigentlich zu banal, mir manchmal zu laut, und wir verließen die Konzerte oft vorzeitig. Doch die Pop- und Rockmusiker verehrten ihn als Erfinder neuer Klangwelten. Seine elektronische Musik hatte sie inspiriert, sich ebenfalls in unbekannte Gefilde zu wagen.
    Bei einem Konzert von Jefferson Airplane blieben wir jedoch bis zum Schluss, Stockhausen drängte sich sogar nach vorn in die Nähe eines Pianisten, den er als »echten Musiker« bezeichnete. Wie der moduliere während seiner Soli, von einer Tonart in die nächste, bevor er wieder bei C-Dur lande, der einzigen Tonart, die dem Rest der Band vertraut war … Der sei ein echter Profi, schade, dass er der E-Musik nicht zur Verfügung stehe. Ich glaube, es ist Nicky Hopkins gewesen.
    Am 14. Januar 1967 fand im Golden Gate Park ein großes Festival statt, das zum Vorboten des Summer of Love wurde. Das Human Be-In genannte Happening war vom Künstler Michael Bowen organisiert worden, und 30 000 Hippies folgten seinem Ruf. Bands wie The Grateful Dead oder Quicksilver Messenger Service berauschten mit ihrer Musik. Allen Ginsberg nahm teil und sang Mantras. Timothy Leary trat als Redner auf, er hatte sich der Forschung mit psychedelischen Drogen verschrieben und forderte deren freie Verwendung. Wir blieben den ganzen Tag dort, und wieder tauchten wir in eine völlig neuartige Welt ein: ein liebevolles und friedliches Miteinander aus tanzenden flower children , in verzückte Zustände versetzt durch Haschisch und andere Drogen. Sie teilten alles miteinander, das Essen lag ausgebreitet auf den Wiesen. Es war die Zeit, als die Blumenkinder noch glaubten, die Welt verändern zu können. Sie erstrebten die Vereinigung mit allen Wesen des Universums. Daran teilzunehmen war unglaublich bewegend.
    Das Gefühl, mit allem verbunden zu sein, das kannte Stockhausen auch. Seid umschlungen, Millionen! Er ließ es in sein Werk einfließen, und das brachte ihm die Sympathie der Hippies ein. Sie liebten diese mystic union , die mystische Vereinigung. Dabei halfen sie zwar mit

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