Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter
Gasflasche in die Wüste stellte und ein Zeltdach darüberspannte. Die Hippies dieser Bergkommune zelebrierten einen spirituellen Lebensstil, meditierten, sangen indische Mantras, trommelten und OM -ten, tönten ihre Botschaft in die Natur. Unter einem Zeltdach hatten sie allerlei Zeug ausgestellt – zum Verkauf, Tausch oder einfach zum Mitnehmen. Mir schienen es vor allem Gegenstände aus ihren bürgerlichen Elternhäusern zu sein. Ein buntes Schild pries den Haufen mit den Worten an: »Mediocre Antiques – Superb Junk«, »Mittelmäßige Antiquitäten – Vorzüglicher Kitsch«.
Eines der Mädchen, Zilla Heimovitz, eine Studentin aus Berkeley, schenkte uns ein Buch über Leben und Werk des indischen Gurus und Hindumystikers Sri Aurobindo. Diese Biografie, Sri Aurobindo oder Das Abenteuer des Bewusstseins, verfasst vom französischen Autor Satprem, sollte noch sehr wichtig für mich werden.
Stockhausen und ich wollten ja nun eigentlich auch formal ein Paar werden. Doch als ich in der Nacht vor dem geplanten Hochzeitstermin am ganzen Körper juckende rote Pusteln bekam, sagte ich zu ihm: »Ich kann morgen nicht Braut sein, schau mich doch an!« Er wurde wütend und rief: »Jetzt heiraten wir endlich, und da bekommst du einen Ausschlag! Das machst du mit Absicht, du kannst so etwas!« Er glaubte tatsächlich, ich könne hexen und einen Ausschlag heraufbeschwören. Beim Arztbesuch stellte sich aber heraus, dass an dem Debakel der Giftefeu, poison ivy , schuld gewesen war, auf dem ich gelegen hatte, als wir uns in der Natur liebten.
Wir verschoben also die Hochzeit noch einmal und kümmerten uns stattdessen um meine bevorstehende vierte Einzelausstellung bei Bonino. Sie wurde wieder sehr erfolgreich – glänzend besuchte Vernissage, sehr gute Presse, wichtige Ankäufe durch Museen und Sammler. Ich konnte nun auch eine wesentliche Verbesserung meines Vertrags mit der Galerie durchsetzen: Hatte ich bisher zum Ausgleich für das monatliche »Gehalt«, das sie mir zahlte, zwei Drittel der Verkaufserlöse abtreten müssen, war es jetzt nur noch ein Drittel. Es ging dabei immerhin um Beträge in der Größenordnung von Zehntausenden Dollars. Die Galerie behielt allerdings das Exklusivrecht für das Angebot aller meiner Werke.
In New York erlebten wir dann auch die legendäre Premiere von Nam June Paiks Opera Sextronique mit, in der Charlotte Moorman mitten in der Aufführung verhaftet wurde, da sie sich während des Cellospiels in verschiedenen Stadien der Nacktheit zeigte. Zunächst saß sie oben ohne hinter ihrem Cello, und Paik gab vor, an ihr wie an einem Instrument zu spielen. Er ging dazwischen immer wieder an den Bühnenrand und fragte einen Polizisten, der in der ersten Reihe saß: »Herr Wachtmeister, ist das so noch in Ordnung?« Er wollte ihn reizen, was ihm offenbar auch gelang. Nach kurzer Zeit fuhren dreiundzwanzig Polizeiwagen vor, nahmen alle Beteiligten mit auf die Wache und trieben das Publikum aus dem Saal. Charlotte schlug mit ihrem Cellobogen um sich und kreischte: »Fasst mich nicht an! Lasst mich in Ruhe! Wenn ihr nackte Frauen sehen wollt, dann geht zum Broadway!« Es war eine wunderbare Performance, ihr Geschrei war noch herrlicher als ihre Musik zuvor. Charlotte und Paik wurden schließlich wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses festgenommen. Die Presse berichtete, das teilte Paik wiederum stolz seinen Freunden mit: »Endlich großer Durchbruch erfolgt – wir sind im Gefängnis!« Und Charlotte ging als Oben-ohne-Cellistin in die Geschichte ein.
Wir fuhren zurück nach Sausalito und wurden dort schließlich am 3. April 1967 von einem Beamten namens Mr. Lawless verheiratet. Herr Gesetzlos – für Stockhausen wieder einmal ein böses Zeichen! Obwohl er bereits seinen Ablösungsprozess von der katholischen Kirche begonnen hatte, wurde er durch den Namen des Standesbeamten daran erinnert, dass nach katholischer Auffassung seine Scheidung von Doris vor Gott ungültig war und damit letztlich auch unsere Eheschließung.
Wir hatten ja von Anfang an hauptsächlich der Papiere wegen heiraten wollen, damit das Jugendamt uns in Ruhe ließe. Wir kamen auch überein, uns gleich nach der Geburt des Kindes wieder scheiden zu lassen, denn Stockhausen gestand mir, dass er in den Wochen seines Alleinseins – ich war ihm wegen einer Erkrankung später als verabredet nachgereist – die Anthropologin Nancy Wyle kennengelernt und sich in sie verliebt habe. Sie sei die Frau seines Lebens. »Das hast
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