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Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bauermeister
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Als wir später mit Miró allein waren, erzählte er uns, dass Madame Maeght immer die schlichtesten Arbeiten auswähle und die Edition jedes Jahr ausverkauft sei. Dadurch könne er sich seine finanzielle Unabhängigkeit bewahren und auch noch die Bilder malen, die keiner kaufe. Viele Jahre später sah ich im Museum of Modern Art in New York einige dieser filigraneren Zeichnungen wieder, da begegnete dem Publikum endlich auch einmal der ganz andere, feinsinnigere Miró.
    Später beim ausgedehnten Abendessen, man konnte es fast ein Gelage nennen, der Wein floss in Strömen, erzählte man sich Geschichten der frühen Avantgarde, der Künstler aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren. Wie erfinderisch hatten sie alle sein müssen, um in ihren armen Anfangszeiten zu überleben. Miró glänzte schließlich mit einer Erzählung aus seiner eigenen Jugend. Da seien alle wichtigen Künstler zusammengesessen und hätten den Nationalismus verspottet. Sie fühlten sich damals schon als Europäer, die Abstrakten, die Surrealisten, die Dadaisten, die Künstler vom Cabaret Voltaire in Zürich. Am Abend eines großen Trinkgelages habe jeder vor Pub likum sein eigenes Land verteufelt: »Bas la France!«, »Down with England!«, »Nieder mit Deutschland!« Als Miró an der Reihe war, habe er nicht gewagt, »Nieder mit Spanien!« zu rufen – es war die Zeit des Spanischen Bürgerkriegs, er fühlte sein Land bedroht, litt später auch unter der Diktatur Francos. Und so habe er »Bas la Méditerranée!« gerufen, »Nieder mit dem Mittelmeer!«. Das hätte ein großes Gejohle ausgelöst, und dann habe es kein Halten mehr gegeben, nieder mit den Griechen, den Römern, den Ägyptern, nieder mit der Kultur, nieder mit der Kunst, mit den Menschen überhaupt.
    Das Gespräch setzte sich fort mit anderen Anekdoten, zum Beispiel von einem Priester, der einmal eine nackte junge Frau auf seinen Schultern durch Paris getragen habe. Das sei ein Schock selbst für die ja schon einiges gewohnte Pariser Kunstszene gewesen, es konnte wohl auch als Akt der Auflehnung gegen das Zölibat gewertet werden. Dazu meinte Stockhausen, der Priester habe sich durch diesen Akt ja automatisch aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen. Es sei also vielleicht nur ein als Priester verkleideter Anarchist gewesen. Er verteidigte den Glauben seiner Jugend, sooft sich dazu Gelegenheit bot. Daran schloss sich nun eine lebhafte Diskussion über das Zölibat an.
    Miró erzählte auch von Hans Richter, dem Dadaisten, dessen Braut der Künstler Man Ray in der Hochzeitsnacht entführt und ihm am nächsten Morgen »erprobt« in die Hotelhalle zurückgebracht hatte. Auch dies sehr schockierend in einer Zeit, als die freie Liebe absolut noch nicht salonfähig war.
    Stockhausen fand nachher im Gespräch mit mir, im Vergleich zu jenen Künstlern seien wir mit unserer ménage à trois ja geradezu bürgerlich. Es sei eben alles relativ. Jeder Moralkomplex sei auf alle Fälle eine gesellschaftliche Vereinbarung, die zu durchbrechen die Künstler ebenso die Aufgabe hätten wie das Aufbrechen ästhetischer Normierungen.
    Etwas Ähnliches hatte ja schon André Breton in seinem Manifest des Surrealismus gefordert, das die Künstlerkollegen zunächst sehr angespornt hatte. Aber was war dann daraus geworden? Breton hatte in seinen theoretischen Schriften eine exakte Definition und Abgrenzung des Surrealismus von an deren avantgardistischen Bewegungen vorgenommen. Dazu gehörte, dem traditionellen Realismus eine radikale Absage zu erteilen, gegen alles Herkömmliche und Überlieferte zu revoltieren, auch gegen Familie, feste Bindung und Patriotismus. Mehr und mehr hatte er sich zu einem unduldsamen Diktator aufgeschwungen, der über alles bestimmen wollte, bis hin zur Lebensweise der Künstler. Mir fiel dazu George Maciunas ein, der Erfinder des Begriffs »Fluxus« für bestimmte künstlerische Aktivitäten, die man bis dahin als »Neo-Dada« bezeichnet hatte. Als selbsternannter Initiator einer Bewegung – ich sehe in ihm eher deren Archivar – wollte er in akribischen Auflistungen bestimmen, wer zu »seiner« Gruppe gehörte, gehören sollte oder immer schon gehört hatte und wer nicht. So wollte er auch John Cage für sich vereinnahmen, der sich dagegen jedoch heftig wehrte. Cage fühlte sich nicht verantwortlich für das, was Nachfolgende aus seinen Anregungen ihrerseits entwickelten. Man kann Cage also allenfalls einen Vordenker von Fluxus nennen, so wie man Marcel Duchamp, mit dem

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