Ich haette dich geliebt
und zog dieselben Sachen an, wie am Tag zuvor.
„Entschuldigen Sie den Überfall, ich habe Ihre Nachricht gehört und bin zufällig heute früh in der Nähe gewesen. Ich dachte, ich komme gleich vorbei.“
Eine attraktive Frau von Mitte fünfzig schaute mich an. Heidi Körber trug Jeans und eine weiße Bluse. Ihre Haare lockten sich blond bis auf die Schultern. Die Zierlichkeit ihrer Person wurde noch durch eine Tasche betont, in die ein ganzes Haus gepasst hätte. Der Raum war erfüllt von ihrem schweren Parfum. Es roch nach einer Mischung aus Sandelholz und staubigem Klavier.
„Ich freue mich, dass Sie gekommen sind. Ich würde gerne mit Ihnen über Louis Kampen reden. Karl Molter hat mir von Ihnen erzählt“, sagte ich.
„Ja, ich weiß. Gehen wir woanders hin. Hier ist es nicht sehr anheimelnd. Wer hat denn diese schreckliche Pension für Sie ausgesucht? Es gibt ein schönes Hotel im Norden der Stadt. Klein und adrett. Ist jetzt wohl auch nicht mehr so wichtig. Gehen wir.“
Heidi Körber drückte auf einen Autoschlüssel. Es fiepte zweimal und die Lichter an einem Mercedes C-Klasse gingen an.
„Fahren wir zum Schlosshotel. Kennen Sie das?“
Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: „Sie sollten etwas Schönes kennenlernen.“
Wir fuhren aus der Stadt hinaus in eine ziemlich verlassene Gegend. Als endlich ein Schild auftauchte, mit der Richtungsanweisung zu unserem Ziel, knurrte mein Magen. Das Hotel war eigentlich gar kein Schloss, sondern eher ein Gutshaus. Die säulenverzierte Fassade schimmerte elfenbeinfarben und die schattige Terrasse war edel bestuhlt. Der Garten vor dem Hotel sah nach der akkuraten Pflege eines Pedanten aus.
„Schön ist es hier.“
Ich drehte mich einmal um die eigene Achse.
„Nicht wahr? Es gehört Bekannten von mir. Nette Leute. Und soviel Geschmack. Setzen wir uns.“
Heidi Körber suchte zielstrebig einen Tisch aus. Noch bevor wir überhaupt saßen, gab sie dem Kellner zu verstehen, dass wir jetzt da waren.
„Bringen sie uns die Karten und zwei Gläser Möet.“
Es war noch nicht mal elf Uhr. Aber ich widersprach ihr sicher nicht. Ein Glas zum Frühstück konnte nicht schaden.
„Sie sind also die Tochter von Louis. Ich habe Sie mir anders vorgestellt, um ehrlich zu sein. Ich habe ein Foto Ihrer Mutter gesehen. Ein ganz anderer Typ.“
Sie sagte das abfällig. Doch noch bevor ich den Mund öffnen konnte, redete sie weiter.
„Dass Louis gestorben ist, tut mir leid. So jung wie er war. Leider hat er nicht sehr gesund gelebt. Wir hatten lange keinen Kontakt. Kurz bevor er starb, rief er mich noch einmal an. Er wollte sich verabschieden. Das war eigentlich nicht seine Art. Mir gegenüber war er nicht sentimental. Aber wer weiß, was einem durch den Kopf geht, wenn es zu Ende geht.“
Ich nickte unmerklich.
„Was machen Sie? Beruflich?“, fragte Heidi Körber.
„Ich bin Reporterin bei einem Radiosender.“
Mir würde im Traum nicht einfallen, mich als Journalistin zu bezeichnen. Journalistin, das klang nach Recherche, nach Aufdeckung und schwerwiegenden Enthüllungen. Ich dagegen berichtete über den Bauern Maier und seine Probleme mit dem Wetter. Über den geschlossenen Kindergarten und die betrübten Eltern. Eine Journalistin war ich definitiv nicht. Einige meiner Kollegen sahen das ganz anders. Mir ging ihr selbstherrliches Getue, wenn es um unseren Job ging, auf die Nerven.
„Wie interessant. Sie sind im Journalismus tätig. Ein ambitionierter Beruf. Da haben Sie Ihrem Vater einiges voraus. Wissen Sie, er arbeitete nicht besonders gerne. Es tut mir leid, das zu sagen, aber er war faul. Dabei hatte er Potenzial. Klug war er schon. Aber immer hat er nur alles angefangen. Nichts Richtiges. In meinen Augen waren das eher Hobbys. Die Malerei und solche Dinge. Ein Kindskopf eben.“
Heidi Körber hatte die Augen weit aufgerissen. Es irritierte mich, dass sie kaum blinzelte. Sie strahlte etwas Herrisches aus und wirkte nicht sonderlich interessiert an einem wirklichen Gespräch. Sie war es, die reden wollte.
„Wir waren zusammen, als Louis hierherkam. Für so eine kleinen Ort war er eine ziemliche Erscheinung, wenn Sie verstehen. Er hatte diese charmante, großstädtische Art. Ich war bereits kinderlos geschieden. Mein Ex-Mann hat sich anderweitig vergnügt. Als ich Louis kennenlernte, war ich ein bisschen geblendet. Und er war ja auch sehr belesen. Wir haben trotzdem nicht zusammengepasst. Ich brauche meine Regeln, verstehen Sie? Ich kann nicht so
Weitere Kostenlose Bücher