Ich haette dich geliebt
lud mich tatsächlich ein. Ich zückte meine Geldbörse, aber sie winkte ab. Ein bisschen zu gönnerhaft.
„Es hat gut getan, Ihnen davon zu erzählen. Manchmal muss man auch was loswerden, nicht wahr?“
Heidi Körber stand auf. Ich hatte noch nicht mal meinen Kaffee ausgetrunken. Wir fuhren zurück in die Stadt. Auf der Rückfahrt schwieg sie, was noch seltsamer war, als wenn sie dauernd redete. Ich versuchte, aus diesem Gespräch schlau zu werden. Sie war verbittert. Aber vielleicht wird man das auch, wenn man den Menschen, den man liebt, verliert. Weil der einen eben nicht liebt.
Hatte ich Kai geliebt? War ich jetzt wirklich so unglücklich, weil er der Mann meines Lebens hätte sein können ... oder nur weil er mich nicht mehr gewollt hatte? Hier, weg von meinem zu Hause, schien mir, dass ich zu viel Wind gemacht hatte. Vielleicht waren meine Zweifel an der Beziehung begründet. Es war das erste Mal, dass ich so dachte. Ich hatte immer geglaubt, dass es an mir lag. Dass ich unfähig war, jemandem Gefühle entgegenzubringen. Aber was, wenn wir einfach nicht zusammengepasst hatten? Was wenn, eine gemeinsame Wellenlänge nicht ausreichte? Was, wenn es das Besondere gab? Das Einzigartige? Und zwar nur einmal für jeden einzelnen Menschen. Ein zarter Anflug von Leichtigkeit stieg in mir auf. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich diesen einen Menschen finden würde, war zwar gering, aber die Möglichkeit bestand immerhin. Als ich wieder in meinem deprimierenden Zimmer saß und den Brief wie eine Giftschlange anstarrte, ging es mir – zumindest was Kai anging – seit langem besser.
Die Art, wie Louis Kampen über meine Mutter sprach, ließ keine Zweideutigkeit zu. Er muss in sie verliebt gewesen sein. Mit Haut und Haaren. Es sei denn, er machte sich selbst und mir etwas vor. Aber wem hätte das genützt?
Ich war also verliebt in Deine Mutter. Ihr Alter war mir egal. Mir war schon klar, dass sie keine zwanzig mehr war. Na und! Mehr Sorgen machte mir, dass Sie eventuell ein Problem mit meinem Alter haben konnte.
Nach dem Picknick ließ Deine Mutter sich lange bitten. Ich machte Verrenkungen aller Art, um sie zu beeindrucken. Wollte ein weiteres Picknick mit ihr. Sie blieb hart. Sie sagte immer nur auf ihr unnachahmliche Art:„Ach Louis, mach, was dir Spaß macht. Ich habe zu tun.“
Nachts konnte ich kein Auge zukriegen. Und wenn ich dann schlief, war Marlene die Frau meiner Träume. Das klingt verdammt kitschig. Aber Clara, es war so. Das musst Du mir glauben.
Gott sei Dank habe ich mir irgendwann ein Bein gebrochen. Ich bin mit dem Fahrrad gestürzt. Und da sag noch mal jemand, es gäbe kein Schicksal.
Ich lag in meinem Zimmer im Berufsschulheim und konnte nur liegen, mit dem eingegipsten Bein nach oben. Nach drei Tagen kam sie mich besuchen. Sie hätte sich Sorgen gemacht, sagte sie. Weil ich ja sonst keine Kosten und Mühe scheuen würde, sie jeden Tag zu besuchen.
Ich bin noch im Liegen zur Salzsäule erstarrt. Meine Behausung war mir unheimlich peinlich. Außer einem Bett und einem hässlichen Spanholzschrank gab es nichts in dem kleinen Zimmer. Das Fenster hatte ich behelfsmäßig mit einem Handtuch zugehängt. Weil die Sonne unerträglich hineinschien.
Die Luft musste nicht besonders gut gewesen sein. Sie riss das Fenster auf und ließ den warmen Sommer hinein. Dann setzte sie sich auf mein Bett und sah mich an.
Ich konnte ein leises Zucken in ihrem Mundwinkel sehen. Später wusste ich: Das hatte sie immer, wenn sie unruhig war, oder nervös.
Sie trug die Haare offen. Die Locken umzingelten ihr Gesicht. In ihren Augen konnte ich nichts lesen. So sehr ich es auch versuchte. Und Clara, es war das erste Mal, dass ich auf ihren Busen schaute. Vorher war ich immer damit beschäftigt ihr Gesicht zu studieren. Sie saß direkt vor mir, mit ihrem Sommerkleid. Aus meiner Perspektive konnte ich den hellhäutigen Ansatz ihrer Brüste sehen und ein Stück ihres Büstenhalters erahnen. Es war eine seltsame Stimmung. Sie fragte mich, wie es mir gehe und wie lange ich den Gips noch tragen müsse. Dann schwiegen wir.
Das war der Moment, in dem sich etwas änderte. Etwas in der Luft. In der Verbindung zwischen uns. Sie nahm meine Hand und legte sie auf ihren Busen. Dann beugte sie sich zu mir herunter und küsste mich. Sie tat es tatsächlich. Ganz sanft drückte sie ihren Harlekinmund auf meine trockenen Lippen. Ich lag hilflos da und konnte mich kaum bewegen. Es war mir unangenehm, so tatenlos zu sein. Dann war es
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