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Ich hasse dich - verlass mich nicht

Ich hasse dich - verlass mich nicht

Titel: Ich hasse dich - verlass mich nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Kreisman
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zu erreichen. Vielleicht verliert die Borderline-Persönlichkeit die Energie, die rasende Geschwindigkeit des Borderline-Lebens aufrechtzuerhalten. Oder vielleicht hat einfach ein natürlicher Heilungsprozess stattgefunden, der bei manchen Borderline-Persönlichkeiten mit zunehmendem Alter einsetzt. Auf jeden Fall können jene, die mit einer Borderline-Persönlichkeit zusammenleben, erwarten, dass die Verhaltensweisen mit der Zeit mit oder ohne Behandlung erträglicher werden. Tatsächlich können die meisten in dem Sinne als »geheilt« betrachtet werden, dass sie nicht mehr fünf der neun definierenden Kriterien erfüllen. Die Langzeitprognose für diese schreckliche Krankheit ist sehr hoffnungsvoll (siehe Kapitel 7).
    Diejenigen, die mit einer Borderline-Persönlichkeit zusammenleben, können daher davon ausgehen, dass deren Verhaltensweisen im Laufe der Zeit akzeptabler werden. Zu diesem Zeitpunkt werden die unvorhersehbaren Reaktionen stärker vorhersehbar und daher leichter zu handhaben sein, und für die Borderline-Persönlichkeit wird es leichter, auf gesündere Weise zu lieben und geliebt zu werden.
    104 Andrew M. Chanen, Martina Jovev, Henry J. Jackson: »Adaptive Functioning and Psychiatric Symptoms in Adolescents with Borderline Personality Disorder«, in: Journal of Clinical Psychiatry 68 (2007), S. 297–306
    105 David A. Brent u. a.: »Risk Factors for Adolescent Suicide«, in: Archives of General Psychiatry 45 (1988), S. 581–588
    106 Alexander McGirr, Joel Paris, Alain Lesage u. a.: »Risk Factors for Suicide Completion in Borderline Personality Disorder: A Case-Control Study of Cluster B Comorbidity and Impulse Aggression«, in: Journal of Clinical Psychiatry 68 (2007), S. 721–729

7 – Die Therapie
    Ich gebe ihm noch ein Jahr, bevor ich nach Lourdes gehe.
    Aus: »Der Stadtneurotiker« von Woody Allen, über seinen Psychiater
    Dr. Smith, ein landesweit bekannter Psychiater, rief mich wegen seiner Nichte an. Sie litt unter Depressionen und brauchte einen guten Psychiater. Er teilte mir mit, dass er mich empfohlen hatte.
    Einen Termin zu vereinbaren, erwies sich als schwierig. Sie konnte ihren Terminplan nicht umstellen, um meinen Sprechzeiten gerecht zu werden. Also stellte ich meine Termine um.
    Ich fühlte mich sehr unter Druck gesetzt, möglichst zuvorkommend und brillant zu sein, damit Dr. Smiths gute Meinung von mir gerechtfertigt war. Ich hatte gerade erst meine Praxis eröffnet und brauchte unbedingt eine Bestätigung meiner professionellen Fähigkeiten. Dennoch wusste ich, dass diese Gefühle ein schlechtes Zeichen waren: Ich war nervös.
    Julie war ungeheuer attraktiv. Sie war groß und blond und hätte leicht Fotomodell sein können. Sie studierte Jura, war 25 Jahre alt, intelligent und konnte sich sehr gut ausdrücken. Sie kam zehn Minuten zu spät, aber entschuldigte sich nicht, ja, sie erwähnte es nicht einmal. Als ich näher hinschaute, sah ich, dass ihr Augen-Make-up etwas zu dick aufgetragen war, so als ob sie eine innere Traurigkeit und Erschöpfung verstecken wollte.
    Julie war ein Einzelkind und von ihren erfolgreichen Eltern, die ständig unterwegs waren, sehr abhängig. Da sie es nicht ertragen konnte, allein zu sein, hatte sie eine Reihe von Affären. Wenn ein Mann die Beziehung beendete, wurde sie sehr depressiv, bis sie die nächste Beziehung begann. Im Moment stand sie gerade »zwischen zwei Beziehungen«. Ihr letzter Freund hatte sie verlassen, und »es gab niemanden, der ihn ersetzen konnte«.
    Es dauerte nicht lange, bis sich bei ihrer Behandlung eine gewisse Routine einstellte. Gegen Ende der einzelnen Sitzungen brachte sie immer einen wichtigen Punkt zur Sprache, sodass die Gespräche immer etwas später endeten. Die Telefonanrufe zwischen den einzelnen Terminen wurden häufiger und dauerten länger.
    Während der nächsten sechs Wochen trafen wir uns einmal pro Woche, aber kamen dann überein, uns zweimal pro Woche zu treffen. Sie erzählte von ihrer Einsamkeit und ihren Schwierigkeiten bei Trennungen, fühlte sich aber weiterhin hoffnungslos und allein. Sie erzählte mir, dass sie gegenüber Freunden häufig zu Wutausbrüchen neigte, obwohl ich mir derartige Ausbrüche bei ihr nur schwer vorstellen konnte. In meiner Praxis war sie immer sehr zurückhaltend. Sie hatte Schlafprobleme, ihr Appetit ließ nach und sie verlor an Gewicht. Sie begann, von Selbstmord zu sprechen. Ich verschrieb ihr ein Medikament gegen Depressionen, aber sie wurde nur noch depressiver und

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