Ich, Heinrich VIII.
heimlichen, verräterischen Briefe formte.
Aber als die Stunden vergingen und ich mich bereit machte, zu Bett zu gehen, kam ich mir allmählich töricht vor. Nicht wegen meiner Anschuldigungen, denn es summte: Katharina war die ganze Zeit über auf Ferdinands Seite gewesen – ja, eine Zeit lang war sie sogar bevollmächtigt gewesen, als seine Gesandte an meinem Hofe aufzutreten! –, sondern um meiner wilden, nackten Gefühle willen, die mich völlig beherrscht hatten, wo es doch umgekehrt hätte sein müssen. Ich hatte geschrien, ich hatte fast geschäumt, und ich hatte den Priester körperlich angegriffen. War ich ein Knabe oder ein Mann? Scham durchflutete mich.
Ich erklomm die Stufen zu meinem großen Bett. Noch immer keine Nachricht von Katharina, keine Bitte an mich, zurückzukehren und ihr zu vergeben. Sie beging einen Fehler. Aber ich dachte gelassen darüber nach; meine Wut war abgekühlt.
Ich machte es mir auf den Matratzen bequem. Süße Ruhe überkam mich. Ich war erschöpft von meinen Gefühlswallungen.
Scheidung. Wie kam ich auf dieses Wort? Für Christen gab es dergleichen nicht; da hatte Katharina Recht. Christus hatte sich klar geäußert, als sie ihn – wer waren »sie«? – zur Scheidung befragt hatten. »Sie« – das mussten die Pharisäer gewesen sein. Es waren immer die Pharisäer gewesen, oder? Aber andererseits, es gab eine Ausnahme, eine Art Bedingung, welche die Ehescheidung erlaubte. Es war etwas, das der hl. Paulus erwähnt hatte. Ich beschloss, Wolsey danach zu fragen, wenn ich ihn am nächsten Morgen sähe. Er war schließlich ein Priester, wenn auch kein Theologe.
Nach der Messe ging ich geradenwegs zu Wolseys Gemächern im Schloss; ich fand den Erzbischof bereits an seinem Pult bei der Arbeit. Der Erzbischof war, wie ich bemerkte, selbst nicht in der Messe gewesen.
»Lest dies.« Ich warf ihm den anstößigen spanischen Brief auf den überquellenden Schreibtisch; er rollte wie ein Holzklotz von einem Stapel Kontobücher herunter und kam vor Wolseys Händen zur Ruhe.
Mit seinen runden Fingern strich er das Pergament glatt und hatte den Brief schneller gelesen, als ich dies niederschreiben kann.
»Schändlich!«, flüsterte er. »Er wird enden im tiefsten Kreise der Hölle, wo seine Verräterkumpane schmoren: Judas, Brutus und Cassius. Satan wird ihn in seine Arme schließen.«
»Ja, ja.« Wo er schließlich landen würde, berührte mich jetzt nicht so sehr wie der Umstand, dass ich wusste, wer ihn zurzeit in seine Arme schloss: die ganze Welt, wie es schien. »Ich werde meine Rache bekommen. Und das nicht erst im Jenseits. Was haltet Ihr davon, ihn zu übertrumpfen?«
»Was – Ihr wollt gegen ihn kämpfen? Und gegen Frankreich?«
»Ich sagte übertrumpfen, nicht kämpfen.« Ein Plan nahm in meinem Kopf Gestalt an, ein überaus fantastischer Plan. »Ich werde Ferdinand in seiner Doppelzüngigkeit übertreffen.«
»Unmöglich.«
»Ich glänze in allem, was ich mir vornehme«, beharrte ich. »Und wäre es Doppelzüngigkeit. Hört zu« – die Gedanken gebaren schon Worte –, »Ferdinand hat einen geheimen Pakt mit Frankreich geschlossen? Ich werde mich in einer öffentlichen Feier mit Frankreich verbrüdern!«
»Mit Eurem Erbfeind, den Ihr bis gestern hasstet?«
»Heute hasse ich Ferdinand mehr; sein Feind ist somit im Handumdrehen mein Freund.«
»Euer Gnaden, das kommt so plötzlich, dass es niemand glauben wird.«
»Was fait accompli ist, kann man glauben. Was durch eine Ehe besiegelt ist, kann man glauben. Sagt mir – unter welchen Bedingungen ist eine Scheidung erlaubt?«
»Wessen Scheidung?«
»Jedermanns Scheidung.«
»Jedermanns Scheidung gibt es nicht. Es gibt nur spezielle Ausnahmen in der verbindlichen Natur der Ehe.«
»Der Ehe mit einer Verräterin?«
»Ich nehme an … Verrat gegen den Gemahl kann man nur begehen, indem man Ehebruch begeht. Es sei denn, der Gemahl wäre ein regierender Monarch; dann wären andere Formen des Verrats auch gleich auch ehelicher Verrat. Aber da der schuldige Teil dann wegen Verrats hingerichtet werden würde, wäre der verbleibende Ehegemahl somit verwitwet, nicht geschieden. Dieser Tod – der verdiente Tod – beendet die Ehe ebenso, wie es der natürliche Tod täte.«
»Kurz und gut, es ginge schneller, wenn man sein Gespons wegen Verrats hinrichten ließe und in einem halben Tag zum Witwer würde, statt in Rom um die Scheidung nachzusuchen und ein halbes Jahr zu warten?« Ich sprach natürlich nur
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