Ich, Heinrich VIII.
besser gesagt, mir zu erwählen erlaubtet –, ein Name aus meiner Familie ist: Philipp Karl.«
Die Männer in ihrer Familie schienen mir mit Kraft und Langlebigkeit gesegnet zu sein; vielleicht war hinsichtlich der unglückseligen Heinrichs, Richards und Edwards in der meinen ein gewisser Aberglaube in mir erwacht. Jedenfalls kam es mir damals wie ein eher geringfügiges Zugeständnis vor. Wenn Katharina nur glücklich war, damit das Kind in Frieden wachsen konnte.
»Aye. Ja.«
Ihr hingebungsvoller Eifer für Ferdinand wie für Jesus kam ihrem Eifer für die irdischen Bedürfnisse ihres Gemahls nicht selten in die Quere. Mehr und mehr, stellte ich fest, erwachten diese Bedürfnisse zu eigenem Leben, pulsierten in mir, verlangten Gehör. Sie kümmerten sich wenig um Katharinas Skrupel, noch auch um die meinen. Ich war dreiundzwanzig Jahre alt und ein Mann. Katharinas Ehrenmaiden, ihre Hofdamen, allen voran die verheiratete Schwester des Herzogs von Buckingham, schienen den Dämon in mir hervorzurufen. Satin, der sich über Brüste spannte, weckte ihn in mir.
Der Klang einer Laute in Katharinas äußerem Gemach lockte ihn hervor, wie die Flöte eines Schlangenbeschwörers die Kobra ruft. Da draußen waren die Damen, die Zofen, sie spielten ihre Lieder, vertrieben sich die Zeit, angetan mit Samt und Seide. Wie ein Schlafwandler fühlte ich mich fortgezogen. Wie ein Schlafwandler schaute ich nur zu; alles, was je geschah, geschah in meinem eigenen Kopf.
Der üble Brief lag da wie ein toter Fisch, und er stank nach Verwesung, Schleim und Fäulnis. Ferdinand hatte ein falsches Spiel mit mir getrieben, hatte mich die ganze Zeit über hintergangen. Zur selben Stunde, als ich siegreich in Tournai eingezogen war, hatte er einen geheimen Friedensvertrag mit den Franzosen unterzeichnet. Sein speichelleckender Lakai Maximilian hatte es ihm sogleich nachgetan.
Den ganzen langen Winter über, während mit peinlichster Sorgfalt Pläne geschmiedet, Munition geordert, Vorräte aufgefüllt worden waren (scharf umrissene Bilder dieser Dinge tanzten in meinem Hirn!), und während mein Flaggschiff Gestalt angenommen hatte, Planke um Planke, Bohle um Bohle, unter hohen Kosten und mit großer Hast, auf dass es im Juni vom Stapel laufen könne …
Sogar das Parlament hatte ich einberufen, hatte mich so weit gedemütigt, dass ich sie um Geld gebeten hatte …
Da hatte Ferdinand mich schon verraten und im Stich gelassen, und er überließ es mir, den Krieg entweder abzublasen und mich vor der ganzen Welt zum Narren zu machen oder allein gegen die Franzosen zu kämpfen.
Dieser Judas!
Das Blut stieg mir zu Kopfe, als all diese Bilder (das Parlament, das Flaggschiff, Ferdinand, wie er den Geheimvertrag unterzeichnete; Katharina, seine Tochter und getreue Parteigängerin, die ihr Loblied auf ihn sang) aufeinander prallten. Mir war, als müsse ich zerplatzen, doch Worte konnten meiner Wut nicht Ausdruck geben. Speichel sammelte sich in meinem Mund, dass ich fast daran erstickte.
Ich raffte den Brief an mich und stürzte in Katharinas Gemächer, rasend wie ein Haschisch kauender Ungläubiger. Sie war, wie gewöhnlich, »beim Gebet«. Ich stieß ihren schweifwedelnden kleinen Lieblingspfaffen beiseite, den Fra Diego (ein Spanier!) – ja, ich packte ihn bei seinem Kreuz auf der Brust, schleuderte ihn von mir und riss die Tür zu ihrer Kapelle auf.
Sie hatte mir den Rücken zugewandt, gekleidet in goldfarbenen Samt. Mit wenigen Schritten war ich bei ihr, und ich packte sie und riss sie von den Knien.
»Nun, Madam, was sagt Ihr dazu?« Ich hielt ihr den anstößigen Brief dicht unter die Nase. »Du wusstest es die ganze Zeit! Du hast mich mit ihm gemeinsam betrogen! Du bist seine Kreatur, du verschlagene kleine … Ausländerin!«
Sie ergriff den Brief und überflog ihn. »Ich wusste nichts davon«, sagte sie ruhig.
»Lügnerin! Lügnerin!« Wie konnte sie es wagen, mich zu belügen? Hielt sie mich für so dumm? Galt ich ihr als Trottel? Vielleicht war ich einer gewesen, aber damit war es jetzt vorbei. Gott, wie ich sie hasste! Sie war nie etwas anderes gewesen als eine spanische Spionin in meinem Bett.
»Ich weiß jetzt, was du bist! Was du die ganze Zeit getrieben hast! Eine Agentin für Spanien, hier eingeschleust, auf dass ich Wachs in Ferdinands Händen werde, eine Vase – ein Vasall, ha ha! – darein er pissen kann! Und weiter hat er auch nichts getan – von jener Episode mit den Bogenschützen im Jahre 1512 bis zu seinem
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