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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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einziger Kardinal Englands.
    Ob er je bereute, dass er Joan Lark und seine Söhne verloren hatte? Oder hatte sich das Opfer gelohnt? Nur drei Jahre hatten von jenem Morgen am Gasthaus »Larks Morgen« bis zum heutigen vergehen müssen, nachdem seine Entscheidung einmal gefallen war. Er war so taktvoll, es niemals zur Sprache zu bringen. Er war ein Mann der Gegenwart. Die walisische Sehnsucht nach dem Unnennbaren wohnte ihm nicht inne. Ich beneidete ihn deshalb.
    »König Franz hat sich erwiesen«, erklärte er unverblümt an diesem rauen Februarmorgen, als wir uns an seinem riesigen italienischen Arbeitstisch niederließen.
    Ich wusste, was er meinte. Er meinte, Königin Claude sei schwanger. Franz hatte sich also in alarmierender Weise erfolgreich gezeigt, im Felde wie als Kinderzeuger. Innerhalb weniger Monate nach seiner Thronbesteigung war er ins Feld gezogen und hatte seine Truppen bei Marignano in Italien in die Schlacht geführt, und er hatte einen überwältigenden Sieg über die päpstliche Streitmacht errungen. Franz wollte Norditalien zu Frankeich holen, und er stand im Begriff, dies auch zu tun.
    »Vielleicht stirbt es.« Ich verfluchte es in diesem Augenblick.
    »Nichts von dem, was Franz tut, scheint zu sterben oder auch nur nicht zu gedeihen. Wahrlich, er scheint ein außergewöhnliches Glück auf seiner Seite zu haben.« Wolsey ärgerte sich darüber. Gegen Strategien konnte man etwas tun, gegen Glück nicht.
    »Und alle Welt redet von nichts anderem als seinem elenden Hof! Sein Stil, sein ballet de cour, seine Baupläne für châteaux.«
    »Der Reiz des Neuen, Eure Majestät.« Wolsey schnupperte zierlich an der silbernen Parfümkugel, die er seit einer Weile mit sich herumzutragen pflegte. »Er ist der neueste König in Europa. Es wird vergehen.«
    »Ah, aber er ist nicht der neueste König!« Ich zog den viel sagenden Brief hervor, der erst am Morgen eingetroffen war, und reichte ihn Wolsey.
    Seine Augen fielen darüber her. »Ferdinand ist tot.« Er bekreuzigte sich mechanisch. »Karl von Burgund ist König von Spanien.«
    »Ja. Ein sechzehnjähriger Habsburger ist jetzt der neueste – und der jüngste – König in Europa.«
    »Das macht Euch zu einem alten Fuchs unter ihnen.« Wolsey lächelte. »Es ist gut, dass wir Ferdinand los sind. Er war nutzlos für uns, und eigentlich nutzlos für jedermann. Ein neuer König in Spanien, ein Knaben-König … was für Möglichkeiten sich da bieten!«
    »Zur Manipulation?«
    »Wie gut wir einander verstehen.«
    »Deshalb seid Ihr, wo Ihr seid.« Und es sollte ihm klar sein, dass ich es war, der ihn dorthin gebracht hatte, nicht er selbst. Ohne mich vermochte er nichts, war er nichts. »Nicht alle Knaben-Könige lassen sich manipulieren. Das Alter ist nicht unbedingt ein Maßstab für die Unschuld.«
    »Wie ich höre, ist dieser aber weltfremd und wunderlich.«
    »Tatsächlich ist er nur unbekannt. Wie ich es war, als ich den Thron bestieg.«
    »Wir werden es uns angelegen sein lassen, seine Natur zu ergründen, Kenntnisse über ihn zu sammeln. Ich habe einige Verbindungen zum burgundischen Hof, verlässliche Zeugen … wenn man sie gut genug bezahlt.«
    Rückblickend muss ich einfach lachen, wenn ich an Wolseys primitive Spitzelmethoden denke; damals aber galten sie als raffiniert. Noch hatte das Genie Cromwell sich nicht mit dieser Kunst befasst.
    »Und dann ist da die Königin«, fuhr er fort. »Sie kann Verbindung zu ihrem Neffen aufnehmen, und seine Antworten können uns einen Eindruck von ...«
    »Nein!«, rief ich. »Katharina darf nicht erfahren, dass ihr Vater tot ist!«
    »Aber es ist eine Tatsache, die morgen alle Welt weiß.«
    »Morgen habe ich sie in die Wochenkammer eingemauert und jede Verbindung zum Hofe unterbunden, wie die Sitte es erfordert. Sie steht zu nah vor der Niederkunft. Ich lasse nicht zu, unter keinen Umständen, dass sie wieder in Aufregung versetzt wird! Ferdinand wird mich nicht mein Kind kosten – wie er mich schon die Loyalität und Zuneigung meines Weibes gekostet hat! Er soll nur verrotten und mir mein Kind lassen!«
    Wolsey erhob sich, und seine Gewänder schillerten. Karmesinroter Satin ist ein Stoff von unvergleichlicher Schönheit. »Eure Majestät, die Königin ist jetzt zum …?« Er stellte die Frage mit großem Zartgefühl.
    »Zum sechsten Mal schwanger«, rief ich, und meine Stimme wurde höher. »Aber sie ist jetzt so dicht vor dem Ende, und zufrieden und gesund ist sie auch. Betet für mich, Wolsey! Stellt

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