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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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mir keine Fragen wie eine politische Kreatur, sondern betet für mich wie ein Kardinal!« Oder weißt du nicht mehr, wie das geht?, fragte ich mich im Stillen. Ob Wolsey jemals betete? Ob er je gebetet hatte?
    Oder hatte er überhaupt nie eine Berufung zum Priestertum gefühlt, sondern nur einen brennenden Ehrgeiz, der ihn trieb, jedes verfügbare Mittel zu nutzen?
    »Betet für mich, und für mein Kind!« Ich wischte all seine Papiere von der glänzenden Platte seines Intarsienschreibtisches. »Das ist Eure Aufgabe, Eure einzige Aufgabe!«

    Am achtzehnten Februar 1518 ward Katharina ins Wochenbett gelegt und nach kurzen Wehen von einer schönen Tochter entbunden.
    Ich umarmte sie beide, durchflutet von Glück. »Wir taufen sie Maria«, sagte ich. Nach meiner Schwester, dachte ich. Mochte sie so schön und so beliebt werden wie meine Schwester Maria Tudor Brandon.
    »Nach der Heiligen Jungfrau«, wisperte Katharina.
    Draußen vor der Tür erwartete der ganze Hof die frohe Kunde. Ich riss die beiden hohen Flügel auf und stellte mich mit gespreizten Beinen in die Öffnung.
    »Wir haben eine schöne Prinzessin!«, rief ich. »Und wenn es diesmal ein Mädchen ist – nun, durch die Gnade Gottes werden Knaben folgen!«
    Unser Jubel stieg zur vergoldeten Decke hinauf.
    Dann kam der venezianische Gesandte, Giustinian, mit trauriger Miene herbeigeschlurft.
    »Es betrübt mich, Euer Gnaden, dass Ihr nach all Euren bisherigen Verlusten nun ein Mädchen bekommen solltet.« Er wirkte niedergeschlagen. »Vielleicht liegt es nicht in Gottes Absicht, Euch einen männlichen Erben zu schenken«, flüsterte er dicht an meinem Ohr.
    Dieser Narr! »Bin ich nicht ein Mann wie die anderen?«, rief ich.
    Es war, als habe er mich nicht gehört. »Bin ich nicht ein Mann wie die anderen?«, schrie ich vor den Augen des Hofstaats, und es war, als könne ich nicht wieder aufhören.
    Will:
    Aye, das war die Frage, die Heinrich immer wieder plagte: Bin ich nicht ein Mann wie die anderen? Jahre später sprach George Boleyn in seinem Prozess buchstäblich sein eigenes Todesurteil, indem er eine Aussage des Inhalts verlas, dass er und seine Schwester Anne über Heinrichs mangelnde Kraft und Männlichkeit gelacht hätten. »Nicht Potenz noch Manneskraft hat er in sich« – dies waren, glaube ich, seine Worte. Freilich war das zwanzig Jahre nach Heinrichs Ausbruch vor Giustinian, aber ich glaube, er war in dieser Hinsicht immer unsicher.
    Und warum auch nicht? Seine erste Braut bevorzugte am Ende ihren Rosenkranz und ihren Beichtvater. Die zweite machte sich über seine Potenz lustig und betrog ihn mit seinen Höflingen. Die dritte besänftigte ihn, starb indessen nach kurzer Zeit. Seine vierte war ihm so zuwider, dass er nichts zu Stande brachte – gleichwohl aber war es erniedrigend, die öffentliche Auflösung der Ehe auf Grund der Nichtvollziehung zu beantragen. Die fünfte machte ihn im großen Stil zum Hahnrei und zum Gespött der Öffentlichkeit, und die sechste – da war er zu krank, als dass er andere Dienste als den der Krankenschwester von ihr hätte in Anspruch nehmen können, aber selbst von ihr berichtete man, sie habe auf sein Angebot erwidert: »Sire, ’s war besser, Eure Geliebte zu sein, denn Euer Eheweib.«
    Da seht Ihr den oft vermählten Monarchen: Früh steht er auf am Morgen. Aber wie steht’s mit dem Zubettgehen spät am Abend? War er »ein Mann wie die anderen«? Oder war er es nicht?
    In seiner Jugend war er geil, das steht fest. Bessie Blount und Mary Boleyn (ich bitte um Vergebung, liebe Catherine) konnten Zeugnis davon ablegen. Aber ach, diese Fräulein können wir nicht mehr befragen, und überhaupt gibt es keine lebenden Zeuginnen mehr für Harrys Potenz … oder ihr Abhandensein.
    Das ganze Thema war jedenfalls eines, das viel Aufruhr verursacht hat; so viel steht fest.
    Ich erwähne dies nur, weil man allgemein annimmt, der König sei ein Satyr gewesen. Es ist eine prickelnde Vorstellung für den Durchschnittsmann, sechs Frauen zu haben. Er denkt aber nur an die Bettfreuden der Ehe, niemals an die unausweichlichen, tristen Konsequenzen: Langeweile, Nörgelei, Enttäuschung und rechtliche Verstrickungen. Deshalb halten sich die meisten Könige Mätressen: Das ist jedenfalls leichter und weniger strapaziös. Aber Harrys Gewissen erlaubte ihm nicht, das traditionelle droit de signeur auszuüben, von Ausnahmen einmal abgesehen.

XXVI
    Heinrich VIII.:
    K atharina und ich waren vereint im Glück über diese Tochter.

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