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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Sie ließ uns noch einmal alles das miteinander teilen, was wir einst gemeinsam gehabt hatten: Unsere Liebe zur Musik, zur Gelehrsamkeit, zu stiller Kameradschaft. Die kleine Prinzessin Maria war altklug und fand schon früh Vergnügen an der Welt um sie herum. Es war eine freudenreiche Beschäftigung, den richtigen Lehrer für sie zu finden, die geeigneten Musikinstrumente auszuwählen, über ihre ersten Schritte und über ihr Lachen zu frohlocken. Denn sie war ein fröhliches, gewinnendes Kind, das niemals weinte. Und als Eltern lebten Katharina und ich in Frieden miteinander.
    Im nächsten Jahr wurde sie wiederum schwanger, erlitt aber schon nach kurzer Zeit eine Fehlgeburt, obwohl wir in diesem Sommer vorsichtshalber keine Staatsreise durch die Grafschaften unternahmen.
    Wolsey und ich hatten mehr als genug mit der Politik zu tun – mit Franz’ Gestelze und aggressivem Gehabe auf der europäischen Bühne und mit dem behutsamen Übergang der spanischen Regierungsmacht auf den jungen Karl, der weiterhin ein Rätsel blieb, sorgsam gehütet und gepflegt durch seinen Großvater Maximilian. Jenseits des Mittelmeers hatte ein arroganter und brillanter neuer Sultan der Türkei namens Suleiman seine Regentschaft damit begonnen, dass er alle umliegenden Gebiete mit erschreckender Leichtigkeit erobert hatte. Die päpstlichen Lande, auf halbem Wege zwischen Franz’ und Suleimans ehrgeizigen Pfaden, wurden von einem zunehmend zittrigen und bedrohten Papst Leo regiert.
    Es war Wolsey, der (ich muss es zugeben, muss ihm seine Staatskunst zugute halten, denn als Staatsmann zeigte er seine Größe) den Vorschlag machte, England solle sich für ein universales Friedensabkommen einsetzen, unter dem sich alle Christen brüderlich im Kampf gegen die Ungläubigen vereinigen und Europa vor allen militärischen Plänen der Türkei beschützen sollten.
    Dieser Vertrag würde selbstverständlich in London unter meiner Schirmherrschaft unterzeichnet werden, und Wolsey würde dabei als päpstlicher Gesandter auftreten.
    Papst Leo nahm den Vorschlag eifrig auf, und indem wir Tournai als Köder einsetzten, lockten wir die Franzosen nach England und zur Unterzeichnung des Vertrages. Wir würden uns nicht nur friedlich vereinigen, sondern einen mächtigen Kreuzzug planen und durchführen, einen Kreuzzug gegen die Türken.
    Die Welt stand still, als Gesandte, Botschafter, Lords und Prälaten aus allen Ländern der Christenheit – aus England, Frankreich, dem Kaiserreich, den Papstlanden, aus Spanien, Dänemark, Schottland, Portugal, Ungarn, aus den Städten Italiens, des Schweizer Bundes und der Hanse – sich in London versammelten und den Vertrag unterzeichneten. Vor dem Hochaltar von St. Paul las Wolsey ein Pontifikalamt, und der allgemeine Frieden im Christentum ward ausgerufen. Kardinal Wolsey, Lordkanzler von England und päpstlicher Legat, war anerkannt als »Architekt des universalen Friedens«. Sein Gesicht glänzte in glorreichem Triumph.
    Zwischen England und Frankreich gab es ein paar Privatangelegenheiten zu regeln. Eine betraf Tournai. Mit meinem Plan, es als Teil Englands zu behalten, hatte es keinen guten Verlauf genommen; er hatte sich als ein furchtbar kostspieliges Unterfangen erwiesen, und sämtliche Versuche, die Einwohner von ihren französischen Perversionen zu kurieren, waren ganz und gar fruchtlos geblieben. So erklärte ich mich bereit, Tournai für sechshunderttausend Kronen an Frankreich zurückzuverkaufen – weniger, als es mich gekostet hatte, die Stadt zu erobern und mit einer Garnison zu belegen, aber ich bereue niemals, Geld für eine Idee ausgegeben zu haben, wenn sie einmal viel versprechend erschien.
    Die andere betraf Franz und mich selbst. Offenbar brannte der französische König ebenso vor Neugier, mich zu sehen, wie ich erpicht darauf war, ihn zu Gesicht zu bekommen. Wir kamen überein, diese Neugier zu befriedigen: Wir würden uns im folgenden Sommer mit vollem Gefolge an einem Ort in der Nähe von Calais treffen, der unter dem Namen »Goldenes Tal« bekannt war.
    Als die letzten Diplomaten sich verabschiedeten und ihre Schiffe sich durch die anschwellenden Herbststürme ihren Weg über den Kanal bahnten, sah ich mich vor einem persönlichen Dilemma von höchst delikater Natur.
    Bessie war schwanger.
    Sie hatte gewartet, bis die Vertragsunterzeichnung unter Dach und Fach war, ehe sie mir die Neuigkeit offenbarte. Während der Festlichkeiten hatte ich sie nicht gesehen; sittsam hatte ich Katharina an

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