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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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meiner Seite behalten, wie es der Geschmack, das Protokoll und die Achtung vor ihr verlangten. Das Lager hatte ich mit Katharina indessen nicht geteilt, denn sie war von neuem schwanger.
    Ich hatte mich darauf gefreut, Bessie und ihre unvergleichlichen Zärtlichkeiten zu genießen; unwillkürlich hatte ich daran gedacht, als ich bei dem ausgedehnten und langweiligen Bankett gesessen hatte, das Wolsey in York Place veranstaltet hatte – schmeichlerische Chronisten hatten behauptet, es habe »alles übertroffen, was selbst Kleopatra oder Caligula vollbracht« hätten, wo doch der wahre Geist dieser beiden bocksgeilen Gestalten in meinem Kopfe hauste, nicht an Wolseys Tafel.
    Wie Bessie und ich einander in meiner Fantasie benutzten, derweil der venezianische Botschafter mir endlos öde mit den adriatischen Handelsrouten in den Ohren lag!
    Und jetzt, als ich im Begriff war, tatsächlich nach ihr zu greifen, und mein im Voraus geformtes Verlangen sich von neuem erhob …
    »Eure Majestät, ich bekomme ein Kind.« Wie ruhig ihr diese vier niederschmetternden Worte über die Lippen kamen.
    Ich ließ ihren Arm los.
    »Ja«, sagte sie. »Im Juni wird es so weit sein.«
    In sieben Monaten. Sie sah mich voller Hoffnung (im zwiefachen Wortsinn) an, wartete auf meine beglückte Antwort. Wie wundervoll. Ich mache dich zur Herzogin von X. Welche Freude. Bitte mich, um was du willst; es wird dir gewährt werden. Du brauchst eigene Ländereien, Ehren, die Anerkennung als Maitresse en titre, meine Liebe, meine Sehnsucht, du meine Schönheit.
    »Du musst den Hof verlassen«, sagte ich.
    »Ja.« Und?
    »Ich werde – ich werde einen Ort finden, an den du gehen kannst. In der Nähe, sodass ich auf dich Acht geben kann, bis das Kind geboren ist. Vielleicht ein Kloster in Essex.«
    Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. »Aber …«
    »Du musst den Dienst der Königin auf der Stelle verlassen. Es wäre ein Skandal, wenn du weiter als ihre Ehrenjungfer erscheinen wolltest. Es würde uns alle drei entehren.«
    »Und mein Vater?«, rief sie. »Gewiss sollte doch auch er Euren Dienst verlassen? Entehrt es ihn vielleicht nicht, weiter der Kammerdiener eines – eines Mannes zu sein, der seine Tochter verführt hat?«
    »So wirst du jetzt scheinheilig? Am Anfang hast du anders gesungen. O nein, da konntest du meine Bedenken als übertrieben gewissenhaft abtun, als altmodisch.«
    »Ich habe auch eine Ehre! Nicht nur Ihr und die Königin habt darauf ein Recht. Ich habe eine Ehre, und mein Vater hat eine Ehre, und dass ich nun so leichthin behandelt werde …«
    Wie lästig dies war, wie unangenehm. Warum hatte jedes Vergnügen einen ranzigen Nachgeschmack?
    »Aber Bessie. Es war Spaß, darin waren wir uns einig. Wir haben Freude aneinander gehabt, aber nun ist es an der Zeit, die Grenzen der Schicklichkeit zu beachten, damit wir keinen Skandal erregen, der uns beiden schaden möchte. Und dem Kind.«
    »Ich habe Euch geliebt! Ich habe Euch geliebt, und jetzt behandelt Ihr mich wie eine Bürde, wie ein Problem, das gelöst werden muss.«
    Da war es, das gefürchtete Wort: Liebe. Ich wollte nicht geliebt werden; das war die Bürde. Unerwünschte Liebe war die größte Bürde von allen.
    »Nicht du bist die Bürde …« begann ich, aber es war zu schwierig und verzwickt, als dass ich es hätte erklären können, und am Ende könnte ich doch nicht sagen, was allein sie hören wollte.
    »Und wenn das Kind zur Welt gekommen ist, was dann?«
    »Wolsey wird einen Mann für dich finden. Keine Angst, du wirst gut verheiratet werden.«
    »Wolsey!«
    »Du siehst, du wirst nicht ›entehrt‹ sein. Du wirst so heiratsfähig sein, als wärest du die ganze Zeit am Hofe keusch geblieben.«
    »Ihr überlasst Wolsey sogar etwas … so Persönliches?«
    »Es ist nichts Persönliches, Bessie.«
    Eben das war so tragisch für sie und so peinlich für mich.
    Dass sie Widerstand leistete, war ausgeschlossen. Ich würde einige Anweisungen erteilen, und am nächsten Morgen würde sie nicht mehr da sein.
    Als ich in dieser Nacht allein in meinem Bett lag, fragte ich mich voller Entsetzen und Angst vor dem, was da in mir war, weshalb ich nichts für sie empfand. Drei Jahre lang hatten wir unsere Körper miteinander vereinigt, hatten gelacht, gesungen und zärtliche Worte gewechselt. Ihr Tun war echt gewesen, aber meines offensichtlich nicht.
    Gegen Mitternacht versank ich in einen ruhelosen Schlaf. Mir träumte, ich wanderte durch ein Mohnfeld, und jede Blüte hatte, wenn

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