Ich, Heinrich VIII.
Edelsteine, denn wir kamen nicht als Soldaten, sondern um uns in unserem ganzen Prunk zu zeigen. Ich gab das Zeichen, und wir brachen auf, und die Hufe von fünftausend Pferden trappelten mit großem Getöse über das Kopfsteinpflaster der Straßen.
Gegen Mittag umrundeten wir eine kleine Anhöhe, die uns den Blick auf Guines versperrt hatte. Vor uns breitete sich eine Stadt von Zelten aus – eine Stadt, die größer war als jede in England mit Ausnahme von London, Bristol und York. Sogar städtische Straßen hatten sie nachgebaut, in denen die Bewohner je nach ihrer Zugehörigkeit untergebracht waren. Fünf solche Straßen schnitten sich durch die Zeltstadt und endeten an einem großen, kreisrunden Platz, auf dem ein Springbrunnen angelegt worden war.
Den Leuten rings um mich her verschlug es den Atem. Keiner von ihnen hatte etwas Derartiges erwartet. Sogar Katharina lächelte. Dann trug der Wind mir jemandes Worte ans Ohr: »Das ist das Werk des Kardinals.«
Am Rande der Zeltstadt erhob sich ein kleiner, aber vollkommener Palast. Die Reihen seiner Fenster warfen das Sonnenlicht zurück wie eine lange Kette von Spiegeln.
»Schau, wo wir wohnen werden«, sagte ich zu Katharina.
Sie wandte sich zu mir um; die Sonne strahlte hinter ihr, sodass ich nur ihre schwarzen Umrisse sehen konnte. Sie nickte. Dann sah ich ihre Zähne, und sie sagte: »Wolseys Stadt.« Mehr nicht.
Verärgert trieb ich mein Pferd davon, weg von ihr.
Das königliche Quartier in dem so genannten Scheinpalast war üppig. Arabische Teppiche bedeckten die Böden, und zierlich geschnitzte Eichenmöbel boten allen erdenklichen Komfort. Ein großes Bankettgebäude war nebenan errichtet worden, ausgerüstet mit einer Küche und allem, was für ein richtiges Fest notwendig war.
Wir bezogen unser Quartier und machten uns für die Begegnung mit Franz bereit. Aufwändige Kleidung musste angelegt werden; da wir beiden Monarchen zum ersten Mal zusammentrafen, war es unerlässlich, dass wir einander in schneidermeisterlicher Pracht übertrafen.
Wenngleich Frankreich der Quell aller Mode war, hatten meine Schneider und ich doch beschlossen, nicht den allerneuesten französischen Stil nachzuäffen (den Franz ohnehin mindestens an Buntheit noch in den Schatten stellen würde), sondern uns unserer englischen Schnitte zu bedienen. Ich sollte einen pelzbesetzten Mantel aus Goldbrokat über einem scharlachroten Wams tragen, und mein Schimmel sollte mit Schabracken aus dem gleichen Goldstoff behängt werden.
»Das ist schlicht, Euer Gnaden«, sagte mein Oberschneider. »Aber Schlichtheit ist das Auffallendste auf Erden.«
Will:
Und so war es auch, wenn man einmal das große Gemälde betrachtet, das zum Anlass des historischen Zusammentreffens in Auftrag gegeben wurde. Heinrich in seinem goldenen und scharlachroten Gewand sticht –
ja, springt – aus dem Hintergrund von einhundert Menschen hervor und zieht den Blick des Betrachters magnetisch auf sich.
Heinrich VIII.:
Wir saßen zu Pferde und hielten uns bereit, als die Fanfare gellte. Wir sollten das französische Signal abwarten, das unser eigener Herold wiederholen würde. Dann würden die beiden gewaltigen Höflingsheere im sorgsam bemessenen Takt der Trommeln voranschreiten. Der Eindruck einer Attacke – ja, schon die bloße Andeutung einer solchen – war unter allen Umständen zu vermeiden.
Dann kam es – ein blechernes Tröten, zwei Meilen weit entfernt, das unser eigener Trompeter aufnahm und wiederholte. Wir setzten uns in Bewegung, und das Knarren von tausenden von Sätteln erfüllte die Luft.
Mir war, als ritten wir so eine ganze Strecke, ohne etwas zu sehen. Es war nirgends eine Spur von den Franzosen. Die platte Ebene erstreckte sich endlos, grün und leer nach allen Seiten. Katharina ritt neben mir; aufrecht saß sie hoch oben auf ihrem importierten spanischen Sattel. Sie schaute weder nach links noch nach rechts, sondern blickte starr geradeaus. Alle meine Versuche, ihrem Blick zu begegnen, waren vergeblich. Sie hing ihren eigenen Gedanken und Befürchtungen nach und überließ mich den meinen.
In der Ferne blinkte etwas in der Sonne – ein französischer Schild? Ja! Jetzt sah ich noch einen, und noch einen, bis das ganze Feld davon funkelte. Sie zogen in das Tal ein wie die lose verbundenen Glieder einer Halskette, und ein jeder fing für einen Augenblick die Sonne ein.
Die Leute formierten sich zu tadellosen Reihen. Dann wichen sie zurück und öffneten eine breite Lücke in der
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