Ich, Heinrich VIII.
Vorschläge berücksichtigen.«
Im Kopf, aber nicht mehr im Manuskript, denn just in diesem Augenblick wurde es von den folgsamen Mönchen bereits auf feinstes Pergament kopiert.
»Es war uns eine Freude, in diesem vergangenen Sommer Eure Gesellschaft zu genießen«, sagte ich. »Eine Freude war uns auch Eure Bereitschaft, die diplomatische Mission nach Calais zu übernehmen, wo Ihr über die Rückgabe von Tournai verhandeltet.«
Er lächelte. Oder doch nicht? In seinem Gesicht schien für das Lächeln keine Vorkehrung getroffen zu sein; alles an seinen Zügen war ernst.
»Endlich befindet Ihr Euch also auch in unserer Mitte.«
»Ja. Auch ich bin überrascht.«
»Ihr werdet noch lernen, Euch hier heimisch zu fühlen«, sagte ich. »Denn hierher gehört Ihr in Wahrheit. Die brillantesten Geister des Reiches sollten im Dienst des Souveräns stehen, denn das Denken ist ein höherer Tribut als jeder Rubin. Und einer, den ein loyaler Untertan seinem König mit Freude entrichten sollte.«
More verbeugte sich stumm.
So hatte ich es nicht zum Ausdruck bringen wollen. Vor dem Kamin hatte ich mit ihm sitzen wollen, Vertrauen beweisen, Vertrauen gewinnen, Kameradschaft pflegen. Aber er zeigte keine Wärme, trotz aller Liebenswürdigkeit. Liebenswürdigkeit kann als wirkungsvolle Tarnung für absolute Kälte dienen. Ich spürte seine Kälte stärker als die Hitze des Feuers.
»Mein Geist steht zu Eurer Verfügung«, sagte er.
Das war nicht das, was ich gemeint hatte; es war so ganz und gar nicht meine Absicht gewesen. Er hatte es nur in dieser Weise gedeutet und meinen guten Willen in etwas Finsteres, Gespenstisches verkehrt.
Ach, sollte er doch gehen! Weshalb lag mir so viel daran, was er dachte und was er fühlte?
Er war wie alle anderen.
Will:
Das Buch – ein großartiges Prunkexemplar, in Gold gebunden und mit Innenblättern von Pergament – wurde zu Leo X. gesandt. Man berichtete, der Papst habe sogleich fünf Seiten davon gelesen und dann erklärt, er »hätte niemals gedacht, dass ein solches Buch möchte kommen von der Gnade des Königs, der unbedingt sich auch um andere Dinge zu bekümmern hat, derweil solche, die sich ihr Lebtag nur mit der Wissenschaft beschäftigen, dergleichen nicht hervorzubringen wissen«.
Der Papst, dankbar für die uneingeschränkte Unterstützung des Königs, verlieh Heinrich einen lang ersehnten Titel: Defensor Fidei – Verteidiger des Glaubens. Von nun an würde Heinrich sich neben den anderen, mit theologischen Würden überhäuften Monarchen nicht mehr nackt vorkommen.
Das kleine Buch hatte erstaunlich großen Erfolg. Zahlreiche Übersetzungen wurden gedruckt, in Rom, Frankfurt, Köln, Paris und Würzburg, unter anderem, und sie verkauften sich ebenso schnell, wie sie aus den Druckpressen kamen. Insgesamt zwanzig Ausgaben wurden produziert, bevor der Appetit des Kontinents gestillt war. Um diese Zeit stürzte sich dann auch Luther ins Gemenge und schleuderte Schmähungen gegen den königlichen Verfasser. Heinrich versagte es sich, selbst zu antworten; er wies More an, das Werk zu verteidigen.
Heinrich VIII.:
Meine theologischen Pfeile hatten ins Schwarze getroffen. Das erkannte ich an der Vehemenz, mit welcher der angestochene Luther antwortete. Der »geistliche« Mönch zog in seinem Pamphlet Martin Luthers Antwort deutsch auf das Buch König Heinrichs von Engelland mit einer ganzen Salve der gemeinsten Beleidigungen gegen mich vom Leder. Er nannte mich »König von Engelland durch Gottes Ungnade« und erklärte sodann: Dürfe »ein könig von Engelland seyn lügen unverschampt auß speyen, ßo thar ich sie yhm frölich widder yn seynen Halß stossen, denn damit lestert er alle meyne Christliche lere und schmiert seynen dreck an die krone meyns königs der ehren, nemlich Christi, des lere ich habe, darumb sols yhn nicht wundern, ob ich den dreck von meynes hern krone auff seyne kröne schmier, unnd sage für aller wellt, das der könig von Engelland eyn lügener ist und eyn unbidder man«.
»Nun«, sagte ich zu More, nachdem ich ihn hatte rufen lassen, »Ihr seht, auf welcher Höhe Luthers Geist steht: ein wenig unterhalb des Gürtels.« More blätterte lustlos in dem Pamphlet. Aber sogar in seinen ausdruckslosen Augen zeigte sich Überraschung (und Geringschätzigkeit), als er den Satz vom »Dreck schmieren« las.
»Ich wünsche, dass Ihr ihm antwortet«, erklärte ich. »Auf die gleiche Weise.« Er wollte Einwände erheben, und so schnitt ich ihm das Wort ab. »Es
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