Ich, Heinrich VIII.
auf der richtigen Bahn dahinholperte und die sorgfältig aufgestellten Kegel umwarf. Katharina saß wie eine Schachfigur auf einem holzgeschnitzten Sessel und beobachtete uns alle, und sogar Brandon und Wolsey hatten sich von diesem Fest herbeilocken lassen. Brandon hatte nie die volle Strafe für sein »Vergehen« bezahlt und ging Wolsey deshalb für gewöhnlich aus dem Weg. An diesem Tage aber herrschte eitel Frieden und Freude. Besonders glücklich war ich darüber, dass meine Schwester Maria erschienen war.
Das Kegelspiel nahm einen lebhaften Verlauf. Brandon war immer noch so stark wie früher, wenn auch nicht mehr so zielsicher. Zumeist lief seine Kugel mit großer Wucht vom Spielfeld. Brandon lachte darüber immer wieder. Ihn kümmerte es nicht, ob er gewann oder nicht.
Wyatt war ein guter Spieler; geschickt schleuderte er die Kugel gegen die größte Gruppe von Kegeln. Immer wenn es ihm gelang, sie zu treffen, lachte er leichthin, um zu zeigen, wie wenig es ihm bedeute. In der letzten Runde warf er mehr Kegel um als irgendjemand vor ihm.
Das Ziel des Spieles war es, nicht nur eine bestimmte Anzahl der aufgestellten Kegel zu Fall zu bringen, sondern die Kugel überdies so zwischen ihnen hindurchzutreiben, dass sie noch ein gutes Stück weit über den Rasen rollte. Wyatt warf die seine über eine stattliche Strecke. Beim letzten Wurf blieben die Kugeln liegen, wo sie hinrollten.
Als seine Kugel auf das Ziel zuflog, vernahm ich ein entzücktes Lachen. Ich drehte mich um. Anne hatte sich zu uns gesellt. Sie hüpfte und klatschte in die Hände, als Wyatt sich verbeugte, und sah ganz hingerissen aus. Er seinerseits kam schlendernd auf sie zu und küsste ihr in spöttischer Weise die ausgestreckte Hand. Sie kicherte.
Ich umfasste die Holzkugel, die ich in der Hand hielt, so fest wie möglich und schleuderte sie gegen die Kegel. Sie flog mitten hindurch und ließ die Kegel auseinander stieben wie einen Schwarm Enten. Dann rollte und rollte sie über den Rasen, bis sie Wyatts erreicht hatte.
»Aha! Es ist die meine!«, rief ich und deutete mit dem kleinen Finger zu den Kugeln in der Ferne; an dem Finger aber stak der Ring, den Anne mir zum Zeichen des Verlöbnisses geschenkt hatte. Wyatt musste ihn erkennen.
Spöttisch lächelnd stolzierte er herbei. Plötzlich hasste ich die Art, wie er ging. »Mit Eurer Erlaubnis, Euer Gnaden«, sagte er, »will ich nachmessen, um die Entfernung festzustellen.« Dabei ließ er eine lange Kette kreisen, an der etwas befestigt war. Erst konnte ich nicht erkennen, was es war, aber dann sah ich: Es war ein Medaillon von Anne; ich hatte es schon oft an ihrem Halse gesehen. Spöttisch straffte er die Kette zwischen beiden Händen und ging langsam auf die Kugeln zu.
Ich sah Anne wutentbrannt an. Sie erwiderte meinen Blick, aber ihre Haltung zeigte nur Verlegenheit. Keine Scham, keine Bitte um Vergebung.
»Ich sehe, man betrügt mich.« Ich wandte mich ab und ging auf das Schloss zu. Ich hätte nicht so offen zeigen dürfen, wie verletzt ich war, aber ich war wie vom Donner gerührt.
Wyatt ging weiter; er hatte mir den Rücken zugewandt und wusste nichts von meinem Zorn. Der Rest der versammelten Damen und Höflinge starrte stumm hinter mir drein; so sagte man mir später zumindest. Aber Katharina stemmte sich aus ihrem Sessel hoch und folgte mir über den frisch geschnittenen Rasen.
»Mein Lord«, sagte sie.
Ich drehte mich um und sah überrascht, dass sie mir nachgekommen war. Sie stand im frischen Maisonnenschein, schwer angetan mit ihrem bevorzugten Kostüm und einem altmodischen Kopfputz – einer hölzernen Haube, die ihren Kopf umschloss und mit feinem Zierstoff überzogen war. Die Haube war so gewichtig, dass sie schon nach ein paar Dutzend hastig zurückgelegten Schritten ins Schwitzen geraten war.
»Ja?«
»Hört auf damit! Hört sofort auf!« Sie bebte. Ich schwieg. Ich sah die Schweißperlen auf ihrer Stirn. »Ich ertrage es nicht, Euch vor aller Welt so beschämt zu sehen. Und das wegen …« Sie sprach nicht zu Ende, aber mit einer Kopfbewegung wies sie zu Anne hinüber, die sich nicht einmal nach mir umgewandt hatte. »Vor allen Leuten. Und ich muss dabei zusehen.«
Jäh wandte ich mich gegen sie, als wäre sie der Grund für alles gewesen, nur weil sie die Wunde noch tiefer machte. »Dann hört auf, zuzusehen, Madam! Hört auf, mir nachzulaufen!«
Entsetzt sah sie mich an, und sie blieb betrübt und wie angewurzelt stehen, als ich davonstapfte und in meinem
Weitere Kostenlose Bücher