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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Privatgemach Zuflucht suchte.
    Dort war es wenigstens kühl. Und leer. Alle Diener waren entlassen und in die warme Maisonne hinausgeschickt worden. Endlich konnte ich mir meinen Wein selbst einschenken, ohne irgendeinen tollpatschigen Dummkopf darum bitten zu müssen. Man durfte ja die Gefühle eines Dieners nicht verletzen. Nein, niemals. Deshalb musste man eine gute halbe Stunde auf eine Handreichung warten, die man selbst in einer halben Minute ausführen konnte.
    Der Wein war gut. Ich goss mir noch einen Becher voll ein und bückte mich dann, um mir die Stiefel auszuziehen. Ich schleuderte sie beide mit Schwung gegen die Wand. Der eine traf auf einen Wandbehang, und eine mächtige Staubwolke erhob sich. Wozu waren die Scheuermägde nütze? Dreck. Nachlässigkeit. Das alles widerte mich an.
    »Eure Majestät, Margaret von Savoyen wäre nicht erfreut, wenn sie sähe, wie Ihr mit ihrem Geschenk umgeht.«
    Ich fuhr herum und erblickte Wolseys Wanst. Er hatte offenbar die erste Gelegenheit beim Schopfe ergriffen, sich in den Schatten zurückzuziehen. An der Art und Weise, wie er meinen Weinkrug beäugte, erkannte ich, dass er auf die Einladung wartete, sich einen Becher einzuschenken. Stattdessen grunzte ich nur: »Sie sieht es aber nicht.« Mehr sagte ich nicht.
    »Dennoch …« Er scharwenzelte um den Weinkrug herum. Plötzlich widerte er mich ebenfalls an.
    »Nehmt Euch, so viel Ihr wollt. Sauft es nur aus.«
    Einer weiteren Einladung bedurfte es für ihn nicht. Bald war der Krug leer. Er rülpste – diskret, wie er glaubte, aber das war es nicht. Dann wandte er sich zu mir und sah mich mit der gleichen betrübten Miene an, die auch Katharina an den Tag gelegt hatte.
    »Euer Gnaden«, begann er kummervoll. »Es schmerzt mich, Euch so unglücklich zu sehen.«
    »Dann tut etwas dagegen! Macht meinem Unglück ein Ende!« Ich hatte nicht schreien wollen, aber jetzt tat ich es doch. »Es liegt in Eurer Macht!«
    Er zerfurchte seine Stirn auf eine Weise, die darstellen sollte, dass er gründlich nachdachte. Damit beeindruckte er diejenigen, die in den Räten saßen, aber ich war daran gewöhnt und wusste, dass es ihm nur dazu diente, Zeit zu gewinnen.
    »Ihr seid Kardinal! Ihr seid päpstlicher Gesandter! Ihr vertretet den Papst in England! Tut etwas!«
    Noch immer stand er mit gefurchter Stirn da.
    »Oder, bei Gott, ich werde ihm selbst ein Ende bereiten! Ganz gleich, mit welchen Mitteln! Mich kümmert es nicht!« Und als ich es sagte, wusste ich, dass ich es so meinte.
    An diesem Abend wartete ich in meinen Gemächern. Würde Anne mir eine Nachricht senden? Würde sie Abbitte leisten, mir versichern, dass Wyatt ihr nichts bedeute?
    Nein. Sie tat es nicht.

XXXIX
    A ber von diesem Tag an wurde manches anders. Wolsey gelang es endlich doch, Seiner Heiligkeit die Erlaubnis für ein Verfahren auf englischem Boden abzutrotzen; die einzige Bedingung war, dass neben ihm ein zweiter päpstlicher Legat daran teilzunehmen hatte. Dieser Legat sollte der Kardinal Campeggio sein, der dazu den weiten Weg von Rom herauf machen musste. Die Reise würde Monate dauern, zumal da er alt war und die Gicht ihn plagte, aber endlich war doch greifbar geworden, was ich mir mehr als alles andere wünschte. Mein Fall war so klar, dass das Urteil im Voraus feststand, und dann würde ich der Fesseln ledig sein, die mir von Tag zu Tag verdrießlicher wurden.
    Katharina umhegte mich immer mehr mit ihrer Fürsorglichkeit; sie benahm sich mehr wie eine Mutter denn wie eine Ehefrau. Anne frönte weiter ihren Launen und versicherte mich stets aufs Neue, es handele sich dabei um notwendige Täuschungsmanöver.
    »Wenn der Kardinal wüsste, dass wir verlobt sind, würde er Eure Sache nicht mit solcher Gewissenhaftigkeit vertreten«, sagte sie. »Er will Euch lieber mit einer französischen Prinzessin vermählen, Renée, glaube ich.« Ihre Stimme glitt leicht über den Namen hin. »Die spanische Allianz ist ihm seit langem verhasst.« Aus irgendeinem seltsamen Grunde erinnere ich mich, dass sie bei diesen Worten mit schlanken Fingern über die Kerben der Schnitzereien an ihrer Stuhllehne strich. Diese Berührung war so anmutig, dass ich sie beobachtete, wie ich wohl einen Schwan beobachtet hätte, der über einen Teich glitt. Schön, elegant. Wie alles, was sie tat.
    »Wir sollen also den Kardinal hinters Licht führen? Das ist nicht so leicht«, warnte ich sie.
    Sie lächelte. »Leichter, als Ihr glaubt.«
    Ein wunderlicher Ausdruck trat in ihre Augen,

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