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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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an. Wie hatten wir uns so verändern können? Zwei Fremde, denen davor graute, einander gegenüberzutreten. Sie verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen, und ihre Miene spiegelte Unbehagen. Mir fiel ein, dass sie sich ja angewöhnt hatte, das raue Gewand des Dritten Ordens des hl. Franziskus unter ihrer Alltagskleidung zu tragen. Vielleicht juckte es sie.
    »Katharina«, sagte ich, »ich bin gekommen, um eine Frage von großer Bedeutung mit dir zu erörtern.« So, dachte ich, sollte ich es vielleicht beginnen.
    Sie kam langsam auf mich zu. Ich bemerkte, dass sie immer noch tagsüber Satin trug. »Ja?«
    »Ja.« Und dann verstummte ich. Wie sollte ich ihr dieses Thema eröffnen? Sie stand ja vor mir wie eine Armee. »Der Bischof von Tarbes war, wie du weißt, kürzlich hier, um über die Möglichkeit einer Verlobung der Prinzessin Maria mit einem französischen Prinzen zu sprechen. Er erwähnte dabei gewisse Hinderungsgründe … mögliche …«
    Die ganze Zeit über hatte sie mich angestarrt, und ihre großen Augen waren schon ein wenig größer geworden.
    »Hinderungsgründe?«
    »Unsere Ehe. Da du zuerst mit meinem Bruder verheiratet warst, sind wir anscheinend nach der Auffassung zahlreicher Gelehrter niemals rechtmäßig vermählt gewesen, und es besteht daher Zweifel an Marias Ehelichkeit …«
    Bevor ich weiter sprechen konnte, begann sie zu schreien und die Arme gleich Windmühlenflügeln kreisen zu lassen. »Wie kann irgendjemand es wagen, den Dispens des Heiligen Vaters in Zweifel zu ziehen? Euer Vater wie der meine haben ihn guten Glaubens angenommen. Sie haben beide …«
    Ihr Vater und meiner? Wie lange war das schon her! Sie waren einmal von so großer Bedeutung in unserer Welt gewesen; heute hatte sie jeder vergessen, nur Katharina nicht.
    »… ihre Zustimmung gegeben! Nein, ihren Segen! Und sie waren heiligmäßige Männer!«
    Heiligmäßig? Ferdinand jedenfalls nicht, und was meinen Vater anging … wer hatte ihn denn wirklich gekannt? Sie beide waren durch äußerlichen Gehorsam an den Papst gebunden gewesen, aus Gründen des politischen Scheins. War das alles?
    »Das waren sie vielleicht.« Mochte sie diesen Trost behalten. »Aber selbst, wer gute Absichten hat, begeht Irrtümer. Und es ist eine Tatsache, dass Gott selbst vor langer Zeit das Urteil über unsere Ehe gefällt hat. So schmerzlich es auch sein mag …«
    »Gott?« Sie richtete sich an diesem Wort auf.
    »Ja. Alle unsere Kinder sind gestorben. Wir sind ohne Nachkommen. Noch nie zuvor hat ein englischer König so dringend einen Erben gebraucht; noch nie zuvor sind einem sämtliche Söhne gestorben; noch nie hat ein König das Weib seines Bruders gefreit.«
    »Wir haben Prinzessin Maria. Sie lebt.«
    »Eine Tochter. Eine Tochter kann den Thron nicht behalten. Wenn sie heiratet – und königlich heiratet, wie es geschehen muss –, wird England unter fremdes Zepter geraten. Wenn sie es vorzieht, nicht zu heiraten, wird das Haus Tudor mit ihr untergehen, und es gibt einen Bürgerkrieg. Die Häuser Lancaster und York haben viele Vettern. Welches Resultat ist dir lieber, gutes Weib?«
    »Gott will, dass es so sei. Was immer Er getan hat, war Sein Wille. Wir müssen uns darein fügen.«
    Begriff das Weib denn nicht? »Nein! Wir sind es, die gegen Seinen Willen und Sein Gesetz verstoßen haben! Wir sind es, die sich vergangen haben! Und wir sind es, die nun bestraft werden!«
    Sie begann, ihren Rosenkranz zu befingern. Nichts von dem, was ich gesagt hatte, erreichte sein Ziel. Ohnehin war ich ein Feigling. Ich hätte geradewegs zur Sache kommen sollen.
    »Katharina«, sagte ich und trat auf sie zu. »Ich habe mich mit gelehrten Kirchenmännern über unsere Ehe beraten. Sie haben die Heilige Schrift durchforscht und sind zu dem Schluss gekommen, dass sie zweifelhaft ist. Es kann sein, dass wir seit achtzehn Jahren in Sünde leben. Bis diese Frage geklärt ist, sollten wir getrennt und in Keuschheit leben: Ich als Junggeselle, du als Königinwitwe. Du magst dir eine beliebige königliche Residenz auswählen, und ich werde …«
    Sie starrte mich an, und ihre Augen hielten mich fest wie zwei eiserne Nieten.
    »Nicht Euer Weib?« Nur diese drei Worte, mit leiser Stimme.
    »Ich weiß es noch nicht«, antwortete ich. »Die Kirchenmänner müssen das entscheiden. Bis dahin aber gebietet mein Gewissen, dass …«
    Sie brach in Tränen aus – in Tränen und in langes, klagendes Weinen. Hastig suchte ich sie zu trösten. Nur eine

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