Ich, Heinrich VIII.
Stimme verlas, war es still. Dann ging ein Raunen durch den Saal. Es war klar: Die Verhandlung war ohne Urteilsspruch geschlossen, der Fall nach Rom zurückverwiesen.
Dann sprang Brandon auf und schlug mit seiner großen Faust auf den Tisch. »In England scheint die Sonne nicht mehr, seit die Kardinäle unter uns sind!«, brüllte er. Die ganze Versammlung brach in erbostes Lärmen aus. Ich war bleich vor Wut.
XL
Will:
D er arme, unschlüssige Papst hatte Campeggio zahlreiche Instruktionen mit auf den Weg nach England gegeben, aber die wichtigste war: Tue nichts. Verzögere das Verfahren so lange wie möglich. Dann verweise den Fall nach Rom zurück. Campeggio hatte nur seine Anweisungen befolgt, die in diesem Fall umso zwingender waren, da Franz nur einen Monat zuvor in seinem letzten, verzweifelten Versuch, Norditalien zurückzuerobern, vernichtend geschlagen worden war. Der Kaiser hatte seine Streitmacht bei Landriano dezimiert, und nachdem aller Staub sich gelegt hatte, waren Kaiser und Papst im Vertrag von Lissabon zu einer Einigung gelangt. Die kaiserlichen Truppen waren aus Rom abgezogen und hatten den Papst freigelassen. Die Kardinäle der Kurie kehrten in Scharen nach Rom zurück; nicht lange, und die Signatur – wie auch wenige Tage später das ganze Konsistorium – entschied, Katharinas Fall (immer Katharinas Fall, niemals Heinrichs Fall) nach Rom zurückzuverweisen. Campeggio hatte gar keine Wahl gehabt.
Aber Wolsey war fassungslos. Dies untergrub all seine Macht. Der Papst, sein geistliches Oberhaupt, hatte ihn verraten. Sein anderes Oberhaupt, der König, fühlte sich verraten. Und zwischen ihnen beiden würde er zermahlen werden wie Korn in einer Mühle.
Heinrich VIII.:
Und so glaubten sie, sie hätten gewonnen. Sie – Katharina, der Kaiser, Papst Klemens – glaubten, sie könnten sich ins Fäustchen lachen und das Problem König Heinrichs viii. und seines Gewissens – für sie nie ein sonderlich gewichtiges – vom Tisch fegen. Sie irrten sich. Irrten sich gründlich. Aber was sollte ich tun?
Mit dem Papst war ich fertig. Er hatte mich im Stich gelassen – nein, verraten. Niemals würde ich vor seinem Gericht in Rom erscheinen.
Mit Wolsey war ich ebenfalls fertig. Wolsey hatte mich im Stich gelassen. Wolsey musste längst Bescheid gewusst haben – er hatte schließlich die päpstlichen Anweisungen gesehen!
Wolsey – der Herr über alle Fakten, der wusste, welche Kräutertinktur zur Behandlung der päpstlichen Hämorrhoiden Anwendung fand, aber auch, welcher Kardinal in der Kurie über die besten familiären Beziehungen verfügte – hatte sich in dieser, meiner größten Sorge, als nutzlos erwiesen. Er war am Ende eben doch nur ein prunkvoll ausstaffierter Verwalter und Beschaffer, aber kein Mann mit Visionen oder Ideen oder wenigstens Verstand. Er hatte gerade dazu getaugt, mir in meinen sonnigen Tagen dienstbar zu sein.
Ich war über ihn hinausgewachsen. Ich brachte selber Besseres zuwege.
Und ich würde Besseres zuwege bringen. Ich würde mir Wolsey vom Halse schaffen und dann fortschreiten … wohin der Weg mich auch führen mochte.
Campeggio sollte England wieder verlassen und kam daher bei mir um die Erlaubnis zur Abreise ein. Ich wohnte zu dieser Zeit in Grafton, auf einem Landschloss, und konnte nur mit großer Mühe für Campeggio Quartier schaffen. Wolsey, der ihn begleitete, fand zu seiner Bestürzung keinen Platz mehr. Ich wünschte im Augenblick nicht mit ihm zu sprechen, aber ich war dazu gezwungen. Manch einer im Staatsrat und unter meinen sonstigen Ratgebern bedrängte mich, ich solle ihn entlassen, ihn gar wegen Hochverrats vor Gericht stellen. Als juristischen Vorwand machten sie geltend, er habe sich des Vergehens »Prämunire« schuldig gemacht, indem er gegen ein altes Gesetz verstoßen habe, welches die päpstliche Rechtsprechung in England ohne die vorher erteilte königliche Erlaubnis verbiete. Der wahre Grund aber war der, dass sie ihn hassten.
Als Wolsey vor mir erschien, zeigte er sich ehrerbietig und erschüttert – ein Wolsey, den ich noch nie gesehen hatte. Er leckte mir die Hand wie ein Hündchen, umwieselte mich und wedelte mit dem Schwanz, um mir zu gefallen. Es ekelte mich an und betrübte mich. Ich wollte nicht Zeuge dieser Erniedrigung sein.
»Eure Majestät … Seine Heiligkeit … ich wusste ja nicht … aber ich kann alles wieder gutmachen …« Nein, solche Sätze wollte ich von Wolsey nicht hören. Nicht vom stolzen Wolsey.
Ich gab ihm
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