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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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geschlendert. Es war eine Dienstmagd. Sie erblickte uns, drehte sich um und flüchtete wieder hinein. Einen Augenblick später kamen mehrere andere zum Vorschein, und Gesichter erschienen in den Fenstern. Drinnen hörte ich Lärm.
    Eine große Holztür befand sich in der Mitte des Hauses an der Rückseite. Sie flog jetzt auf, und eine kleine, dicke Frau kam uns entgegengehastet. Sie hatte ihre Röcke geschürzt, um schneller laufen zu können. Andere Leute folgten ihr ein wenig langsamer.
    »Euer Gnaden, Euer Gnaden«, keuchte sie, als sie näher kam. Jetzt erkannte ich Lady Alice, Mores Gemahlin. »Wir sind … wir sind …«
    »Wir sind geehrt«, vollendete eine vertraute, mir sehr liebe Stimme. More. Er schob Alice beiseite und lächelte mir gelassen entgegen. »Wir hatten noch nie das Vergnü…«
    »Ich hatte noch nie eine Einladung«, hörte ich mich sagen und war beschämt. Wieso fühlte ich mich bei More immer genauso wie in den finsteren Tagen, da Arthur der Lieblingssohn gewesen war? Immer auf der Suche nach Anerkennung, immer in dem Gefühl, gering geschätzt zu werden.
    More hatte einen seltsamen Ausdruck im Gesicht.
    »Also habe ich beschlossen, mich selbst einzuladen«, endete ich lahm.
    »Ihr seid herzlich willkommen«, antwortete er mit seiner seltsam beruhigenden, vollen Stimme. Aber ich wusste, ich war es nicht.
    Ich streckte die Hand aus und wies mit wilder Gebärde auf das Haus. »Schön, Thomas«, sagte ich. »So friedlich.«
    Er hob eine Braue. Offensichtlich hielt er mich für einen Narren. Er war nicht der Einzige, dachte ich, ihm beipflichtend, und ich wünschte mich hundert Meilen weit weg.
    »Der Hochsommer ist die friedlichste Zeit.« Du bist kein Narr, schien seine Stimme mir zu sagen. Du bist ein Mensch, und du wirst geliebt. Ah, das war die Gefahr, die in More lag! Bei ihm fühlte man sich immer wie ein Mensch und trotzdem geliebt. »Steht still und lauscht.«
    Eine leichte Brise raschelte im Laub; die Bienen summten; das Wasser des Flusses gluckerte leise in der Ferne. Aber mehr noch als Geräusche trank ich Bewegungen und Licht in mich hinein. Die bunten Malven rings um das Haus, die leise nickten; das Schweben der Bienen, die bei den goldfarbenen, aus Stroh gewobenen Bienenkörben ein und aus flogen; die Lichtflecken, die im Geäst der Bäume spielten. Und der Duft: Die Luft schien hier leichter zu sein, erfüllt von zarten Gerüchen aus fernen Wiesen und nahen Gärten. Blumen, gemähtes Gras, fruchtbare Erde – all das vermischte sich zu einem Elixier, das mir den Kopf klärte.
    »Aye«, sagte ich, wie mir schien, nach langer Zeit. »Aye.«
    Lady Alice gestikulierte; sie wirkte beunruhigt. »Euer Gnaden … wenn Ihr ein einfaches Mahl mit uns teilen wollt. Ihr und Eure – Eure Begleitung …« Unsicher warf sie einen Blick auf mein Gefolge. »Ihr müsst wissen, wir sind nicht darauf vorbereitet …«
    More brachte sie mit einem Blick zum Schweigen.
    »Wir sind nicht gekommen, um zu speisen«, sagte ich. »Wer denkt im Sommer ans Essen?«
    »Bring Ale heraus, Alice«, wies More sie an. »Die Bootsleute sind gewiss durstig, nachdem sie den weiten Weg von London heraufgerudert sind. Noch dazu gegen den Tidenstrom.«
    Sie machten dankbare Gesichter, und er wandte sich zu mir. Der Blick seiner graugrünen Augen schien mich brennend zu durchbohren.
    »Wollen wir ein wenig spazieren gehen, während sie die nötigen Anstalten trifft?« Seine liebkosende Stimme sprach einen Befehl aus. Ich gehorchte.
    Er führte mich in die Richtung des Rosengartens, der wiederum an einen Obstgarten grenzte. Die Sonne stand hinter uns, und wir warfen lange Schatten. Mir fiel ein, wie ich es als Kind immer vermieden hatte, auf meinen Schatten zu treten. Es brachte Unglück. Aus Versehen trat ich jetzt immer wieder darauf, so sehr ich mich auch bemühte, es zu vermeiden.
    More zeigte mir verschiedene Rosensorten, die er mit großer Mühe herangezüchtet hatte. Dann sagte er schlicht: »Ihr seid wegen anderer Dinge hier.«
    »Ja«, sagte ich. »Ich möchte, dass Ihr Lordkanzler werdet. An Wolseys statt.« Wenn er schlicht und geradeheraus sprach, warum sollte ich es nicht auch tun?
    Ich hatte Aufregung oder Ungläubigkeit erwartet. Stattdessen aber lachte er, ein lautes, schallendes Lachen. »Ich?«, sagte er, als er aufgehört hatte. »An Wolseys statt? Aber ich bin kein Kirchenmann.«
    »Ich will keinen Kirchenmann! Ihr seid ein Christ – mehr als die meisten Kirchenmänner!«
    »Seid Ihr Euch denn ganz

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