Ich, Heinrich VIII.
von Gott und wandte sich falschen Götzen zu. Ja, ein König von Israel betete den Baal an! So böse er aber war, an seiner Seite war jemand von ärgerer Verderbtheit: sein Weib Jezabel. Sie drängte ihn zu noch größeren Freveltaten.
Elias der Prophet suchte ihn zu warnen. Aber Ahab war die Kreatur Jezabels, nicht die des Herrn! Und es begab sich, dass es ihn nach einem Weinberg gelüstete, der nahe seinem Palaste gelegen war. Der aber gehörte einem Manne namens Naboth. Er machte sich erbötig, dem Naboth seinen Weinberg abzukaufen, doch Naboth wollte nicht.
König Ahab war es nicht gewohnt, dass ihm jemand etwas abschlug, und es verdross ihn sehr. Mürrisch kehrte er nach Hause zurück. Jezabel fragte ihn, was ihn betrübe, und als er es ihr erzählte, da lächelte das böse Weib und sprach: ›Komm, iss und fass dir ein Herz; ich werde dir Naboths Weinberg zum Geschenk machen.‹«
Hier legte der Pater eine Pause ein und äugte wild umher, gleich einer Eule auf ihrem Baumstumpf, die nach Mäusen späht.
»Und was tat sie? Sie ließ ein Fest feiern, bei welchem der Naboth den Ehrenplatz einnehmen sollte – und dann sollten zwei gedungene Lügner hereinkommen und den Naboth öffentlich bezichtigen, er habe Gott und den König verflucht. Die Menschen glaubten dies, und sie schleiften ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn. Und so machte Jezabel ihrem Gemahl den Weinberg zum »Geschenk«.«
Die Gemeinde war still und sog jedes der Worte in sich auf.
»Elias aber ging zum König und sagte: ›So spricht der Herr: Wo die Hunde das Blut des Naboth aufleckten, da sollen sie auflecken dein Blut. Und Jezabel werden die Hunde fressen am Fuße des Berges von Jesreel.‹«
Jetzt hörte man trotz der dicken Mauern den Wind draußen pfeifen, so still war es in der Kapelle geworden.
»Heute aber ist es in diesem Lande genauso. Ein König hat Gott und Seinem wahren Stellvertreter den Rücken zugewandt, und er hurt mit falschen Götzen! Ein König, der so sehr nach dem Gelde giert, dass er nicht nur den Naboth beraubt, sondern sogar Gott selbst! Ein König, der betört ist von seiner Jezabel, einem Weibe, das seinen Untergang herbeiführen wird und den der Kirche.
Ich aber sage dir, was Elias dem Ahab sagte. Die Hunde werden dein Blut lecken!«
Anne war bleich. Ein Gemurmel erhob sich in der Gemeinde. Der Pater aber starrte mich unheilvoll an. Er erwartete, mich schuldbewusst hinausstapfen zu sehen. Ich gedachte ihn zu enttäuschen und blieb ruhig auf dem königlichen Betstuhl sitzen.
Später, in ihren Gemächern, brach Anne schluchzend zusammen. Sie warf sich mir an den Hals und bat mich in einer Weise, wie ich sie noch nie erlebt hatte, ich möge sie in meine Arme nehmen.
»Aber, aber, mein Herz«, mahnte ich. »Wenn du Königin sein willst, musst du lernen, Haltung zu bewahren. Du darfst dich nicht von jeder Kleinigkeit, die irgendein Narr sagt, derart aus der Fassung bringen lassen. Er war doch nur ein selbst ernannter Prophet. Nächste Woche werde ich jemanden von derselben Kanzel antworten lassen; du wirst schon sehen. Weine nicht mehr, mein Herz. Schau, ich habe dir etwas mitgebracht …«
»Es ist mehr … mehr als … ich wollte es Euch nicht sagen – Ihr würdet Euch Sorgen machen … aber ich muss …«
Sie stammelte. Offenbar hatten die Zitate aus der Heiligen Schrift sie bestürzt. Behutsam nahm ich sie bei der Hand und führte sie zum Kamin, und dort setzten wir uns. Ich goss uns Wein ein und reichte ihr einen Becher. Sie nahm ihn mit zitternden Händen.
»Wie kannst du irgendetwas geben auf das, was er da geredet hat? Er ist ein Fanatiker, der uns in Angst und Schrecken versetzen wollte. Genau wie diese absurde ›Heilige Jungfrau von Kent‹ mit all ihren ›Prophezeiungen‹, die über Land wandert und unseren Untergang vorhersagt.«
»Sie hassen mich«, sagte sie. »Sie hassen mich, sie hassen mich – oh, es war furchtbar!«
»Nicht gar so furchtbar. Ich habe schon Schlimmeres gehört.«
»Nein. Nicht die Predigt. Der … Zwischenfall. Sie haben versucht, mich zu töten.«
»Wer?«
»Eine Meute von Weibern. Vorige Woche. Ich war allein in einem der kleinen königlichen Flusshäuser beim Tower, um dort zu Abend zu speisen. Da kam einer der Hausdiener und sagte, es nahe sich eine Meute von sieben- oder achttausend Weibern, mit Knüppeln und Steinen bewaffnet. Wenn ich ginge, wollten sie sich auf mich stürzen und mich töten! Ich schaute aus dem Fenster und sah sie kommen. Es stimmte! Ich
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