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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Augen zu streuen‹, wie Ihr schon im Herbst sagtet?«
    »Aye.«
    »Nichts da!«, rief sie aus. »Wann immer es etwas gibt, das Ihr tun wollt, kleidet Ihr es in päpstliche Gewänder. Glaubt Ihr denn, ich sei so töricht, dass ich nicht selber sehe, was Ihr fühlt?«
    »Anne …« Geduldig erläuterte ich ihr, in welcher verzwickten juristischen Klemme wir waren, und schloss: »Und auf diese Weise kann das Kind ehelich zur Welt kommen.«
    »Das Kind! Das Kind! Ist das alles, was ich von nun an hören soll? Was ist mit Anne? Was ist mit der armen, elenden Anne?«
    Sie riss sich los und rannte in ihr inneres Gemach, um sich dort demonstrativ zu übergeben. Ich merkte, dass ich die Fäuste ballte und löste. Ich konnte den Papst bekämpfen und manipulieren, das Parlament, sogar das Volk. Aber dazu brauchte ich Anne als Verbündete, nicht als weitere Gegnerin.
    Sie kam wieder heraus, zittrig, aber gefasst.
    »Ich glaube, wir müssen heiraten, sobald es geht«, sagte sie leise und kam zu mir. Die konzentrierte Rosenessenz, mit der sie ihren Hals bespritzt hatte, half, den Geruch nach Erbrochenem zu überdecken. »Wir dürfen nicht auf Cranmer warten. Er kann nachher alles in die rechte Ordnung bringen … wenn es geschehen ist. Das ist es ja, was Erzbischöfe und Päpste tun: Sie bringen die Dinge in die rechte Ordnung, wenn sie geschehen sind. Trauen kann uns jeder Beliebige.«
    »Aber eine prachtvolle öffentliche Zeremonie – wünschst du dir so etwas nicht? Sehnen sich nicht alle adeligen Damen danach?«
    »Gewöhnliche adelige Damen, ja. Aber ich – ich, die ich die Liebe des Königs mein Eigen nenne – brauche nichts weiter. Ich will nur in Wahrheit Eure Frau sein vor den Augen Gottes.«
    Ja. Eine Trauung, vollzogen durch irgendeinen Priester und vor den erforderlichen Zeugen, wäre genauso gut wie eine Zeremonie in einer Kathedrale. Und barg vielleicht noch mehr Magie – denn sie wäre wahrhaft unser. Ich fühlte, wie das Blut mir zu Kopfe stieg. Ganz genauso hatte sich mein Großvater Edward am Vorabend des Mai mit seiner geliebten Elizabeth vermählt …
    Geheime Trauungsfeiern – welch ein Luxus für einen König! Anne öffnete mir Tür um Tür zu immer neuen verbotenen Dingen …

XLVII
    E s war gegen Ende Januar, die Zeit, da die Kälte in alle Mauern kriecht; Bridewell Palace war da keine Ausnahme. Die Sonne ging erst nach acht Uhr auf, und morgens um fünf war es noch finstere Nacht. Eine Unmenge von Kerzen flackerten in der zugigen Luft eines einsamen, unmöblierten Zimmers in den oberen Regionen des Schlosses. Das Fenster war noch ein schwarzes Viereck, gegen das der Schneeregen prasselte. Kaplan Edward Lee stand da und schaute verdattert, schlaftrunken und unbehaglich drein. Die Zeugen waren gleichfalls da, und sie sahen kaum anders aus.
    Ich trug ein besticktes, moosgrünes Wams und einen neuen, fuchspelzgefütterten Mantel. Die anderen hatten angezogen, was gerade bei der Hand gewesen war, als sie den Befehl erhalten hatten, in diese Dachstube zu kommen. Niemand war im Voraus in Kenntnis gesetzt worden, denn ich hatte befürchtet, das Geheimnis könnte sonst ans Licht kommen, und womöglich würde dann jemand versuchen, die Trauungszeremonie zu verhindern.
    Unvermittelt erschien Anne. Obgleich sie zweifellos ebenso schlaftrunken war wie alle anderen, strahlte sie in ihrem hellblauen und pelzgefütterten Mantel. Ich streckte die Hand aus, ergriff die ihre und zog sie sanft an meine Seite.
    »Ihr mögt nun die Hochzeitsmesse lesen«, sagte ich zu Kaplan Lee.
    »Aber, Euer Gnaden, ich habe keine Erlaubnis und keine Anweisungen von Seiner Heiligkeit.«
    »Die sind eingetroffen«, log ich. »Seid nur beruhigt: Seine Heiligkeit ist einverstanden.«
    Mit sorgenvoller Miene begann er die uralte Zeremonie. Ich hielt Annes Hand, und in meinem Kopf drehte sich alles – Anne war endlich meine Frau! Keine Fanfaren, keine Kostüme, keine hohe Geistlichkeit, die das Ritual vollzog. Kein Bankett und kein Turnier hernach. Stattdessen ein großes, graues Geheimnis. Draußen sang der Winterwind, und die Hagelkörner flogen, und Anne hatte nicht einmal ein Brautkleid. Die Kerzenflammen wehten im Luftzug, der den Weg durch die feinen Risse im Putz gefunden hatte. Es war mörderisch kalt; als wir die Ringe tauschten, waren meine Hände taub.
    Und dann, nachher, kein Fanfarenschall. Die Zuschauer trotteten stumm wie Schatten hinaus und verschwanden in der grauen Luft des frühen Morgens.
    Anne und ich blieben allein

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